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Von der Sommernachtsgala zum Festivalfinale

Sommer 2025

Veröffentlicht: 04/11/2024

Sommernachtsgala

Die Sommersonnenwende bezeichnet jenen Moment im Jahr, an dem die Sonne die größte Mittagshöhe am Horizont erreicht. Der Tag markiert gleichzeitig den Beginn des astronomischen Sommers – und in Grafenegg startet exakt zum Jahreszeitenwechsel die Saison der Freiluftkonzerte am Wolkenturm. Das ist nun wirklich nichts Neues, könnte man einwenden, denn seit bald zwei Jahrzehnten ist dieser Ablauf in Grafenegg immer derselbe. Dennoch: Was dem äußeren Anschein nach gleichbleibt, ist bei näherer Betrachtung trotzdem Veränderungen unterworfen, erfährt frische Impulse und erneuert sich. Zumal die Sommernachtsgala stets mit Überraschungen aufwartet, betraten doch zu diesem Anlass schon so manche Künstler:innen zum ersten Mal die große Bühne am Wolkenturm – und gelangten via ORF-Übertragung in eine enorme Zahl von Haushalten. 

2025 gibt die aus Südafrika stammende Mezzosopranistin Siphokazi Molteno ihr Grafenegg-Debüt, dazu gesellt sich Michael Spyres, der noch aus dem Sommer 2024 von seinem Wolkenturm-Debüt als Siegmund in Richard Wagners «Die Walküre» in bester Erinnerung ist. Der französische Dirigent Fabien Gabel steht am Pult des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, das dann bereits «sein» Orchester ist: Mit der Sommersonnenwende übernimmt er den Chefposten von Yutaka Sado, dessen erfolgreiche zehnjährige Amtszeit endet. Rudolf Buchbinder musiziert dann zum ersten Mal mit dem neuen Chef von Grafeneggs Residenzorchester. Freilich war Fabien Gabel in Grafenegg schon öfter zu Gast, und Rudolf Buchbinders Grafenegg-Debüt reicht sogar in eine Zeit zurück, als Wolkenturm, Auditorium, die Sommernachtsgala und das Grafenegg Festival noch in den Sternen standen: aber ohne Träume kein Festival, ohne Treffen der Generationen keine Kontinuität.

    Wie klingt der Sommer?

    Diese schlichte Frage beantwortet Grafenegg auch im Jahr 2025 möglichst umfassend mit einer kompletten Konzertreihe an sieben Samstagen von Ende Juni bis Anfang August. Die «Sommerklänge» beginnen mit einer Hommage an einen der größten Filmmusikkomponisten: Ennio Morricone. Seine Partituren übertrumpften immer wieder die Filme, für die sie ursprünglich geschrieben wurden, und mehr als einmal war die Musik schon da, bevor der Film überhaupt gedreht wurde: Die Regisseure bauten ihre Szenen im Sinne der Musik, die Morricone zu den vorgegebenen Inhalten ersonnen hatte. Frank Strobel als einer der bedeutendsten Filmmusikkenner der Gegenwart leitet das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich.

    Apropos Tonkünstler-Orchester: Wer sonst sollte das Konzert zum 200. Geburtstag des Walzerkönigs spielen als Grafeneggs erstes Residenzorchester? Seit Jahrzehnten pflegen die Tonkünstler die Musik von Johann Strauss Jahr für Jahr in ausgedehnten Konzertreisen rund um den Jahreswechsel; der im Detail so heikle Rhythmus der Walzer und Polkas ist ihnen eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam mit Sascha Goetzel am Pult und erlesenen Solist:innen werden diese «Klänge der Heimat» inklusive «Fledermaus»-Special im zweiten Konzertteil ein echtes Heimspiel.

    Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
    Tonkünstler-Orchester Niederösterreich © Mark Glassner

    Ein Heimspiel in doppeltem Sinn verspricht die Grafenegg Academy 2025 zu werden: Jörg Widmann, Composer in Residence des Jahres 2014, kehrt als Kurator und Dirigent des neusten der drei hiesigen Residenzorchester zurück – und bringt sein eigenes 2. Violinkonzert mit, das ideal eingebettet ist zwischen Mendelssohns «Hebriden»-Ouvertüre und Beethovens 7. Symphonie. Eine Woche später kehrt die Jazzrausch Bigband zurück nach Grafenegg. Bereits 2022 brachte die 15-köpfige Truppe den Wolkenturm zum Beben und bringt nun ein neues Programm mit.

    Das fünfte Kapitel der sommerlichen Klangreise führt in die 1930er Jahre, und zwar mit jeder Faser im wahrsten Sinne des Wortes: Die Musiker:innen des Swing Dance Orchestra, die wegen des stets großen Erfolges zum wiederholten Mal in Grafenegg zu Gast sind, präsentieren sich auch in Kleidung und Styling farb- und stilecht in ihrem Programm «Swing is on Parade».

      Die schönste Zeit im Jahr

      Das Grafenegg Festival

      An vier Wochenenden von Mitte August bis Anfang September geht das Grafenegg Festival 2025 über die verschiedenen Bühnen am Gelände des herrlichen Schlossparks. Zum Eröffnungskonzert am Donnerstag, dem 14. August 2025, besteigt das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter seinem Chefdirigenten Fabien Gabel mit der «Alpensinfonie» von Richard Strauss einen Gipfel der Musikgeschichte. Ein Gipfel der Konzertliteratur für zwei Klaviere ist gewiss Francis Poulencs Doppelkonzert: Virtuosität, Klangsinn und ein mild-verklärter Rückblick in die Wiener Klassik, wie geschaffen für die Solistinnen Katia und Marielle Labèque. Am darauffolgenden Samstag gibt das European Union Youth Orchestra das zweite Konzert seiner Sommerresidenz in Grafenegg, diesmal unter seinem Music Director Iván Fischer und der Geigerin Alina Ibragimova, die Tschaikowskis Violinkonzert spielen wird. Tags darauf debütiert Daniel Lozakovich in Grafenegg mit dem Violinkonzert von Jean Sibelius.

      Einspielen am Wolkenturm
      Musiker auf der Bühne am Wolkenturm © Lisa Edi

      Frische Tinte am zweiten Festivalwochenende

      Am Sonntag, dem 24. August, stellen die Teilnehmenden des Composer-Conductor-Workshops Ink Still Wet jene Werke vor, die sie in verschiedenen Arbeitsphasen gemeinsam mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich – und unter den sorgsamen Blicken des Composer in Residence Fabián Panisello – komponiert und einstudiert haben. Und eine Novität wird sein, dass der Composer in Residence im selben Konzert ein neues Werk uraufführen wird. Es ist Jahr für Jahr eines der spannendsten Konzerterlebnisse im Rahmen des Grafenegg Festival. Die Musikgeschichte ist ja voll von großen Erfolgen – und großen Misserfolgen – von Erst- und Uraufführungen. Grafenegg ist besonders stolz darauf, dass seitdem ersten Workshop Ink Still Wet im Jahr 2011 viele der hier mitwirkenden Komponist:innen und ihre Werke Auszeichnungen erhielten und international ihren Weg gemacht haben.

      Filmsounds und Wiederbegegnungen

      Das zweite Wochenende wird mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und einem der berühmtesten Klavierkonzerte der Literatur eröffnet. Pjotr Iljitsch Tschaikowski hat sein b-Moll-Konzert mehrfach umgearbeitet. Der Pianist Kirill Gerstein greift in Grafenegg auf frühere Ideen Tschaikowskis zurück, wodurch das Konzert ein Stück weit vom Virtuosen-Gedonner wegrückt. 

      John Williams’ Musik hat sich längst von den dazugehörigen Filmen gelöst und führt ein Eigenleben. Spätestens durch seine Zusammenarbeit mit Steven Spielberg seit den 1970er Jahren, etwa an Filmen oder Filmserien wie «Der weiße Hai», «Star Wars» und «Superman», zählt Williams zu den Größten seiner Zunft. Dass er freilich auch abseits seiner Arbeit für den Film großartige Werke geschaffen hat, davon können sich die Besucher:innen des Gastspiels des Royal Philharmonic Orchestra unter seinem Musikdirektor Vasily Petrenko und Anne-Sophie Mutter überzeugen. Es war beim Grafenegg Festival 2012, als Christina Pluhar mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata zuletzt im Auditorium zu Gast war und ihr Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Für die Sonntagsmatinee am 24. August bringt die aus Graz stammende Spezialistin für Alte Musik abseits ausgetretener Pfade ihr neues Programm «Wonder Women» mit, mit Musik von starken Frauen und über starke Frauen. Den Sonntagabend gestaltet das Gewandhausorchester Leipzig unter Andris Nelsons gemeinsam mit der mehrfachen Grammy-Gewinnerin Hilary Hahn.

      Royal Philharmonic Orchestra
      Royal Philharmonic Orchestra © Frances Marshall

      Große Solist:innen, große Gesangskunst

      Zum dritten Festivalwochenende bringt die Tschechische Philharmonie gemeinsam mit Gautier Capuçon unter der Leitung des Grafenegg-Debütanten Petr Popelka ein reines Dvorák-Programm mit. Ein außergewöhnliches Debüt verspricht ein Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich mit David Afkham: die aus Russland stammende mittlerweile 17-jährige Pianistin Alexandra Dovgan, über die der Pianist Grigory Sokolov vor einigen Jahren einmal meinte, man könne sie kaum als ein Wunderkind bezeichnen, «weil ihr Klavierspiel zwar ein Wunder ist, aber nichts Kindliches» an sich habe. Eines von Maurice Ravels besonders populären Musikstücken bildet den Schlusspunkt eines Programms des Orchestre Philharmonique de Radio France. Ravel soll selbst süffisant gesagt haben, er habe «nur ein Meisterwerk komponiert, den Boléro. Leider enthält er keine Musik.» Doch was dem Komponisten zeitlebens fremd blieb, fasziniert uns bis heute: C’est la vie. Einer der großen Sänger unserer Zeit gestaltet am Vormittag dieses Festivalsonntags eine Matinee: Juan Diego Flórez, ein Garant für schlackenlose Gesangstechnik und untrüglichen Geschmack für Belcanto-Gesang.

      Mirga Gražinytė-Tyla
      Mirga Gražinytė-Tyla © Ben Ealovega

      Zubin Mehta und das Tonkünstler-Orchester

      Das Festival-Finale 2025 hat es in sich: Nicht weniger als sechs Konzerte an fünf Tagen, drei Mal wird Rudolf Buchbinder selbst herausragende Werke der Klavierkonzertliteratur spielen, die Wiener Philharmoniker kommen mit Franz Welser-Möst, das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit Daniel Harding, das Hong Kong Philharmonic Orchestra mit Jaap van Zweden – und Klaus Florian Vogt bringt anstatt eines einzelnen Pianisten gleich ein komplettes Oktett für Franz Schuberts Liederzyklus «Die schöne Müllerin» mit. Am 10. März 1962 stand Zubin Mehta zuletzt am Pult des Tonkünstler-Orchesters. Mehr als 63 Jahre später feiert er zum Abschluss des Grafenegg Festival seine sensationelle Rückkehr ans Pult jenes Orchesters, mit dem er 1957 seine Abschlussprüfung der Dirigentenklasse im Wiener Musikverein absolviert hat. Mit seinem engen Freund Rudolf Buchbinder am Flügel wird er zuerst das 1. Klavierkonzert und nach der Pause dann die 1. Symphonie von Johannes Brahms dirigieren: ein wahrlich außergewöhnliches Finale des Sommers 2025.

      Rudolf Buchbinder
      Rudolf Buchbinder © Marco Borggreve

      Alle Konzerte im Überblick

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