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Musik und Liebe

Von Liebesdingen und Heiratssachen
Rasenplätze am Wolkenturm

Veröffentlicht: 10/02/2025

Ist die Liebe eine Himmelsmacht? Oder doch zutiefst irdisch? Und braucht ein erfolgreicher Komponist Liebesleid, um daraus seine Inspiration zu schöpfen? Entstanden nicht die schönsten Werke aus Liebeskummer? Oder reichen für die Tonbastelstube Talent und Fleiß? 

Wie auch immer: Was bleibt, ist die Musik. Wir lesen fasziniert die intimsten Briefe, die doch eigentlich nur für ein einziges anderes Augenpaar gedacht waren. Warum tun wir das? Weil es uns im besten Fall hilft, den verborgenen Hintergründen unserer Lieblingsmusik auf den Grund zu gehen – oder auch nur unsere Neugierde befriedigt. 

In vier kurzen Kapiteln begegnen wir einem blinden Komponisten, der Liebe seines Lebens und einem der populärsten Werke der Musikgeschichte; werfen danach einen Blick auf eine gescheiterte Schein-Ehe, sowie in den intim-liebevollen schriftlichen Umgang eines Komponisten mit seiner Frau. – Und dann? Unglückliche Liebesgeschichten bewegen uns am meisten, seien sie wahr oder auch nur Fiktion: Darum geht es zum Schluss.

Kapitel 1

Liebe in Aranjuez

Licht und Schatten lagen eng beieinander im Leben des 1901 in der valencianischen Mittelmeerstadt Sagunt geborenen Joaquín Rodrigo. Die Umwelt des Dreijährigen versank im Dunkel, als das Kleinkind durch eine ungünstig verlaufene Diphterie-Infektion sein Augenlicht verlor und nunmehr seinen restlichen Sinnen desto mehr vertrauen musste. Das Kind hatte Glück: Eine Spezialschule mit einem Schwerpunkt auf Musik legte früh die Grundlage für alle späteren Erfolge. Das Talent war Rodrigo freilich in die Wiege gelegt, denn schon bald sang und geigte er, spielte Klavier und fand sich als Musiker wieder. Als Jugendlicher und junger Erwachsener konnte er dabei auf einen ständigen Begleiter vertrauen, Rafael Ibáñez. Der kümmerte sich um Rodrigos Bedürfnisse, übertrug die in einer speziellen Noten-Blindenschrift festgehaltenen Werke auf Notenpapier und las dem Bücherwurm alles vor, was nicht in Braille vorlag.

«Der Frühling ist gekommen, in Form eines jungen Mädchens […] das die Musik liebt und über blumige Wege wandelt, mit ihren Haaren und Gedanken im fliegenden Wind»

schrieb Joaquín Rodrigo mit 27: Er hatte sich Hals über Kopf in eine junge Pianistin namens Victoria verliebt. Wie es dazu kam? Nun, die Schuld daran trug allein die Musik, und zwar genauer Rodrigos «Preludio al gallo mañanero», ein virtuoses Klavierstück, das die junge Pianistin begeistert hatte. Sie wollte unbedingt den Komponisten kennenlernen, und ein gemeinsamer Freund brachte die beiden zusammen. Victoria erinnerte sich später:

«Eine tiefe Empfindung überfiel mich, als er meine Hand schüttelte. Ich war fähig, ein paar Worte zur Begrüßung zu stammeln, und ich hatte den Eindruck, dass ihn meine kleine, kindlich wirkende Stimme amüsierte. Ein fröhliches Lächeln umspielte sein Gesicht und gab den Blick auf eine Reihe schöner weißer Zähne frei. […] Dann erst bemerkte ich, dass er mich kaum sah.»

Dass Rodrigo blind war, wusste sie nicht. Er selbst nahm mit seinen Augen nur die Konturen wahr – doch faszinierte ihn Victoria sofort. Die Saat der Liebe war gesät und ging auch rasch auf: Die beiden gingen aus und besuchten Konzerte, ihre Beziehung vertiefte sich langsam, aber stetig. Als Rodrigo nach mehreren Reisen im Spätherbst 1931 nach Paris zurückkehrte, beschloss das Paar, nach nunmehr zweijähriger Beziehung, sich zu verloben und alsbald zu heiraten.

Am 17. Februar 1932 stand Rodrigo mit seinen Verlobungsgeschenken, einem Ring und einem eleganten Armband, in der luxuriösen Pariser Residenz der Familie Kamhi. Die junge Frau aus streng patriarchalisch geführter sephardischer Familie sollte selbstredend nicht an den Erstbesten verheiratet werden. Sich dieser wackeligen Ausgangslage bewusst, trat der blinde Komponist nervös dem Familienoberhaupt gegenüber und bat in aller erdenklichen Förmlichkeit um die Hand Victorias. Isaac Kamhi war kein Mann großer Reden und umschweifender Begründungen: Ein eisiges «Nein!» war alles, was der gestrenge Vater zu sagen geruhte. Rodrigo wurde hinauskomplimentiert und kehrte fassungslos in sein Hotel zurück. Am nächsten Tag wurden Ring und Armband kommentarlos retourniert, Victoria wollte ihren Geliebten nicht sehen und gab vor, krank zu sein. Der zutiefst niedergeschlagene Brautwerber verließ daraufhin Paris. Eine Phase der Unsicherheit, der «nervösen Depression», wie es Rodrigo später nannte, mündete eines Tages auf Victorias Betreiben in eine tatsächliche Trennung. – Für immer?

«Vergibst Du mir, Joaquín?», schrieb sie im Oktober 1932 an Rodrigo, um ihm zu eröffnen, dass sie nicht mehr ohne ihn leben wolle und die Entscheidung gefällt habe, ihre Ersparnisse zu schnappen und zu ihm zu ziehen, auch ohne Erlaubnis ihres Vaters. Mehr brauchte er nicht zu wissen: Freudig schloss er sie in seine Arme. Victoria und Joaquín gaben einander am 19. Jänner 1933 in Valencia das Jawort. Den glücklichen Sommer 1933 verbrachten die Jungvermählten in und rund um Madrid, wo sie, verträumt und Zukunftspläne schmiedend, Spaziergänge in den weitläufigen Gärten des Schlosses Aranjuez unternahmen. 

Wer denkt hier nicht sofort an Rodrigos berühmtestes Werk, das «Concierto de Aranjuez» für Gitarre und Orchester? Der erste und der letzte Satz sprühen vor Lebensfreude und Übermut. Und das berühmte Adagio? Das sei einem andalusischen Klagegesang nachempfunden, einer sogenannten Saeta, und Rodrigo habe dabei den Opfern des Bombardements von Guernica 1937 im Spanischen Bürgerkrieg gedacht. Für Victoria hing das Adagio allerdings zeitlebens mit ihrer Schwangerschaft und der Totgeburt ihres Sohnes zusammen: 

«Als ich in der Klinik war, sorgte eine Freundin für Joaquín. Später erzählte sie mir, dass er untröstlich und schlaflos des Nachts lange Stunden auf einem alten Klavier eine Melodie voller Traurigkeit und Sehnsucht gespielt habe, die ihr Gänsehaut verursachte: Es war das Adagio aus dem ‹Concierto de Aranjuez› …»

Licht und Schatten lagen eng beieinander bei den Rodrigos. Und es wurde trotz anfänglicher Schwierigkeiten, trotz Bürgerkrieg, Weltkrieg und persönlicher Schicksalsschläge ein langes, erfolgreiches gemeinsames Leben: 1997 erlosch mit dem Tod Victorias jenes Augenlicht, das sie über sechs Jahrzehnte geteilt hatten. Zwei Jahre später folgte ihr, hochdekoriert, weltweit verehrt und bewundert, Joaquín. 

Xavier de Maistre
Xavier de Maistre © Julien Benhamou
Kapitel 2

Der Schein trügt

«Verliebe Dich oft, verlobe Dich selten, aber heirate nie!»

Diese alte, einfache Regel scheint Pjotr Iljitsch Tschaikowski nicht gekannt zu haben. Sonst hätte er sich so manch Kummer erspart, aber wer weiß, vielleicht wären auch einige der größten Werke der Musikgeschichte nie komponiert worden. 

Der Jammer begann im Mai 1872. Antonina Iwanowna Miljukowa lernte in der Wohnung ihres Bruders einen Mann kennen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf ging: Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Die Frau des Stabskapitäns Aleksandr Miljukow war mit dem Komponisten befreundet, dessen Auftreten und warmherziges Wesen Miljukows Schwester Antonina so beeindruckt hatten. Tschaikowski lud die offensichtlich musikinteressierte junge Frau zur Uraufführung eines neuen Werkes ein, doch der scheue Komponist unternahm keinerlei Annäherungsversuche. Das hatte gute Gründe, denn Tschaikowski war sexuell nicht an Frauen interessiert, sondern an Männern, was im Russland des 19. Jahrhunderts vor der Umwelt besser verborgen blieb. Doch in Antonina Miljukowa erlosch die Bewunderung für Tschaikowski in den folgenden Jahren nicht, ganz im Gegenteil: 1877 gestand sie ihm in einem Brief ihre unsterbliche Liebe. Einige Wochen später trafen sich beide zu einer Aussprache, und wenige Tage danach, im Mai 1877, bat Tschaikowski formal um ihre Hand und offerierte ihr seine ausdrücklich nur «brüderliche» Liebe, der sie bereitwillig zustimmte. Tschaikowski schrieb noch am selben Tag seinem Bruder, Modest, ohne ihn jedoch von seiner Verlobung in Kenntnis zu setzen. Vielmehr ging es darin um eine andere Beziehung: 

«Du fragst nach meiner Liebe? […] Ich schicke Dir ein Foto von mir und Iosif Kotek zusammen.»

Diesem jungen Geiger gehörte damals sein Herz, Antonina war nur ein Mittel zum Zweck.

Für Tschaikowski war die (Schein-)Ehe eine Möglichkeit, eine Fassade für die Gesellschaft aufrecht zu erhalten und in aller Diskretion seinen tatsächlichen menschlichen Leidenschaften nachzugehen. Und er würde endlich frei sein, zumindest freier als zuvor. So besiegelten Antonina und er ihren Bund in der St.-Georgs-Kirche in Moskau – er in der festen Überzeugung, dass sie wusste, dass er ihr körperlich nicht nahe sein möchte, und sie in der ebensolchen Sicherheit, dass er sich schon noch in sie verlieben werde. Beide hatten unrecht. Er hatte in seine Kalkulationen nicht mit einberechnet, dass seine Frau sich zumindest Sex wünschte. Und sie konnte nicht fassen, dass er ihr widerstehen konnte. Tschaikowski spürte umgehend, dass er mit dieser Ehe einen katastrophalen Fehler begangen hatte, der ihn nur ein paar Wochen nach der Hochzeit bereits in die Flucht trieb. Noch einmal kehrte er zu seiner Frau zurück und lebte weitere zwei Wochen mit ihr zusammen, bevor er endgültig die Konsequenzen zog und Antonina verließ. An seinen Bruder Anatol schrieb er: 

«Erst jetzt, vor allem nach der Geschichte meiner Ehe, habe ich endlich verstanden, dass es nichts Unfruchtbareres gibt, als nicht das sein zu wollen, was man von Natur aus ist.»

Doch wie wirkten sich diese schwierigen Jahre bei Tschaikowski aus, den auch später wegen seiner unüberlegten Heirat noch Gewissensbisse plagten? Er komponierte einige seiner größten Werke, unter anderem «Eugen Onegin», die Vierte Symphonie und das Violinkonzert, Letzteres auf Anregung und durch die Inspiration Iosif Koteks, des jungen Geigers, in den sich der Komponist so verliebt hatte. 

Bis etwa 1881 versuchte Tschaikowski, die Scheidung von Antonina durchzusetzen, wobei er alle Schuld an der Misere auf sich nahm, wie er etwa an seine Schwester schrieb: 

«Ich gebe ihrem aufrichtigen Wunsch, mir eine gute Ehefrau und Freundin zu sein, voll und ganz Recht, und ... es ist nicht ihre Schuld, dass ich nicht das gefunden habe, wonach ich gesucht habe.»

Doch umsonst: Sie wollte keine Scheidung, und irgendwann gab Tschaikowski auf. Seine Frau bekam in der Zwischenzeit mehrere Kinder mit einem anderen Mann, die leider alle in jungen Jahren starben. Tschaikowski unterstützte Antonina zeitlebens finanziell und hinterließ ihr 1893 testamentarisch eine monatliche Rente. 1917 wurde sie, immer noch offiziell verheiratet mit ihrem einstigen Idol, als Antonina Tschaikowskaja begraben. 

Kapitel 3

«Mein liebes Weibchen!»

Wolfgang Amadeus Mozart und Constanze Weber lernten einander 1777 in Mannheim kennen, bei einer Arbeitsreise des damals 21-jährigen Komponisten. Allerdings galt seine spontane Verliebtheit nicht ihr, sondern ihrer älteren Schwester, Aloisia, einer begabten Sängerin, mit der Mozart auf Konzertreise ging und ihr auch prompt einen Heiratsantrag machte. Doch Aloisia lehnte ab. 1779 übersiedelten die «Weberischen» nach Wien, und als Mozart aus Salzburg für eine Woche bei der befreundeten Familie wohnte, verliebte er sich wieder – diesmal freilich in die mittlerweile 19-jährige Constanze. So kam es, dass Mozart blieb, und aus Wochen wurden Monate. Erst als die Beziehung des jungen Paares ruchbar wurde, warf Mutter Weber den Komponisten kurzerhand hinaus. Doch ihre Liebe ließ sich nicht nachhaltig unterbinden: 1782 waren sich, nach viel Auf und Ab, die jungen Leute schließlich einig und wollten heiraten. Leopold Mozart aber, der gestrenge Vater, wünschte sich für seinen Sohn eine andere Frau und verweigerte lange Zeit seine Zustimmung zur Ehe. Noch am 27. Juli 1782 fleht sein Sohn in einem Brief: 

«liebster, bester vatter! – ich muß sie bitten, um alles in der Welt bitten; geben sie mir ihre Einwilligung daß ich Meine liebe konstanze heÿrathen kan. – glauben sie nicht daß es um das heÿrathen wegen allein ist – wegen diesen wollte ich noch gerne warten. – allein ich sehe daß es meiner Ehre, der Ehre meines Mädchens, und meiner gesundheit, und gemüths zustand wegen unumgehlich nothwendig ist. – Mein herz ist unruhig, mein kopf verwirrt – wie kan man da was gescheides denken und arbeiten?»

Nun, Mozart meinte es nur zu ernst damit: Am 4. August 1782 heiratete er Constanze, ohne die Einwilligung seines Vaters erhalten zu haben. Dieser jedoch hatte inzwischen zugestimmt, wie Mozart am 7. August in einem Schreiben dankbar zur Kenntnis nahm: 

«Ich küsse ihnen die hände und danke ihnen mit aller zärtlichkeit die imer ein Sohn für seinen vatter fühlte, für die mir güttigst zugetheilte Einwilligung und vätterlichen Seegen.»

Einem gutbürgerlichen Eheleben stand nun nichts mehr im Wege. In den folgenden neun Jahren brachte Constanze sechs Kinder zur Welt, von denen nur zwei das Kleinkindalter – und auch beide Elternteile – überlebten: Carl Thomas (1784 – 1858) und Franz Xaver (1791 – 1844). 

Die erhaltenen Briefe Mozarts erlauben kleine Einblicke in die herzerfrischende Zärtlichkeit, mit der er seiner Frau auch Jahre nach der Hochzeit in Briefen begegnete. So schrieb er Constanze am 8. April 1789 aus Budweis:

«Liebstes Weibchen! Unterdessen der Fürst im Pferd=Handel begriffen ist, ergreif ich mit Vergnügen diese Gelegenheit um Dir, Herzensweibchen, ein paar Worte zu schreiben. – Wie geht es Dir? – Denkst Du wohl so oft auf mich, wie ich auf Dich? – alle Augenblicke betrachte ich Dein Portrait – und weine – halb aus Freude, halb aus Leide! – erhalt mir Deine mir so werthe Gesundheit und lebe wohl, Liebe! – Habe keine Sorge meinetwegen, denn auf dieser Reise weiß ich nichts von Ungemach – von Verdrüßlichkeit – nichts außer Deine Abwesenheit – welches, da es nun nicht anderst seyn kann, nicht zu ändern ist; – mit thränenden Augen schreibe ich dieses; – adieu – von Prag schreibe ich dir schon mehr, und lesbarer, weil ich nicht so zu eilen brauche – adieu – ich küsse dich Millionenmal auf das zärtlichste und bin Ewig dein bis an tod getreuester s[erviteur] w. A. Mozart»

Dass auch zwei Jahre später die Romanze weiter währte, verraten die Abschiedszeilen eines Schreibens von Mozart an sein «Herzensweibchen» vom 6. Juli 1791 aus Baden bei Wien:

«liebe mich ewig wie ich dich liebe, und sey Ewig meine stanzi Marini, wie ich ewig seyn werde dein Stu! – Knaller paller – schnip – schnap – schnur – schnepeperl. snai! – N. N. Gieb dem Süssmayer eine Ohrfeige, und sag du hättest eine fliege tod schlagen müssen, die ich sitzen gesehen hätte! – adieu. fang auf – fang auf – bi – bi – bi 3 busserln, zuckersüsse fliegen daher!»

Fünf Monate danach war Mozart tot, dem «hitzigen Frieselfieber» erlegen: das allzu frühe Ende eines Lebens, einer Liebe. 

Kapitel 4

«Der Müller und der Bach»

«Die Liebe liebt das Wandern… von einem zu dem andern…»,

heißt es in der «Winterreise». Im Liederzyklus «Die schöne Müllerin» erzählt der Dichter Wilhelm Müller die Geschichte eines Müllerburschen, der zur Wanderschaft auszieht, sich unglücklich verliebt, zuletzt keinen Ausweg mehr weiß und sich das Leben nimmt. Dahinter liegt einerseits des Dichters eigene unerwiderte Liebe zur Dichterin Luise Hensel. Doch verpackte Müller sein «Liederspiel mit Prolog und Epilog» zu einer größeren Einheit, die Franz Schubert in seinem gleichnamigen Liederzyklus bewusst eliminierte: Was bei Müller durch den Rahmen aus Prolog und Epilog noch einen süffisanten Nachhall erhält, eine durchaus leicht ironische Distanz, endet bei Schubert mit dem nicht weiter kommentierten, traurigen Freitod des Müllers. Und es bleibt in Schuberts Vertonung von «Des Baches Wiegenlied», dem Schluss der «Schönen Müllerin», auch kein Auge trocken, wenn es heißt: 

«Gute Ruh’, gute Ruh’!
Tu die Augen zu!
Wandrer du müder, du bist zu Haus.
Die Treu’ ist hier,
Sollst liegen bei mir,
Bis das Meer will trinken die Bächlein aus.»

Was der 26-jährige Schubert aus den Texten des bei der Niederschrift der Gedichte etwa gleichaltrigen Müller schuf, bewegt uns heute wie am ersten Tag. Doch wie kam es eigentlich, dass der Müllerbursch in der Geschichte keinen anderen Ausweg mehr wusste, als den Freitod zu wählen? Es hatte doch alles so schön begonnen mit der jungen Müllerin …

Mit den wohlbekannten Worten «Das Wandern ist des Müllers Lust» zieht er aus, der Müllerbursch, um sein Handwerk auszuüben und auch, um das Leben und das Lieben kennenzulernen. Voller Energie und Tatkraft beginnt er seine Reise, von rauschenden Bächlein und Mühlenrädern ist da die Rede, und im vierten und fünften der insgesamt 20 Lieder taucht die Müllerin auf, in die sich der junge Mann sogleich unsterblich verliebt und um deren Gunst er in den folgenden Liedern buhlt. Sein Ansprechpartner ist dabei immer wieder der Bach: 

«O Bächlein meiner Liebe,
Was bist du wunderlich!
Will’s ja nicht weitersagen,
Sag’, Bächlein, liebt sie mich?». 

Und bald jubelt der Bursch: 

«Durch den Hain
Aus und ein
Schalle heut’ ein Reim allein:
Die geliebte Müllerin ist mein!»

Doch das so jauchzend herbeigesungene Liebesglück will sich nicht einstellen, die Müllerin zögert, seltsame Töne mischen sich in die Geschichte. Und man versteht erst nicht, was die Müllerin meint mit den durch den Burschen zitierten Worten: 

«‹Schad’ um das schöne grüne Band,
Dass es verbleicht hier an der Wand,
Ich hab’ das Grün so gern!›
So sprachst du, Liebchen, heut’ zu mir;
Gleich knüpf’ ich’s ab und send’ es dir:
Nun hab’ das Grüne gern!»

Schon im nächsten Lied erfahren wir, warum ihr die grüne Farbe, das Symbol für den Jäger, so gefällt, und heftig lodert die Eifersucht beim Müllerburschen auf:

«Was sucht denn der Jäger am Mühlbach hier?
Bleib, trotziger Jäger, in deinem Revier!
Hier gibt es kein Wild zu jagen für dich,
Hier wohnt nur ein Rehlein, ein zahmes, für mich.»

Wenige Lieder später schon ist alles vorbei: Die Müllerin hat statt des braven, jungen Müllers den mysteriösen, aber umso reizvolleren Jäger erhört. Der enttäuschte Bursch ist untröstlich:

«Ihr Blümlein alle,
Die sie mir gab,
Euch soll man legen
Mit mir in’s Grab.»

Der Bach versucht, den Müllerburschen noch zu trösten, aber umsonst: Er will ohne seine Angebetete nicht mehr leben: 

«Ach Bächlein, liebes Bächlein,
Du meinst es so gut:
Ach Bächlein, aber weißt du,
Wie Liebe tut?
Ach unten, da unten
Die kühle Ruh’!
Ach Bächlein, liebes Bächlein,
So singe nur zu.»

Das Schlusswort hat der Bach. Der Müllerbursch liegt im Wasser, mit in den Nachthimmel starrenden Augen. Der Bach singt ihn dabei in den ewigen Schlaf:

«Gute Nacht, gute Nacht!
Bis Alles wacht,
Schlaf’ aus deine Freude, schlaf’ aus dein Leid!
Der Vollmond steigt,
Der Nebel weicht,
Und der Himmel da oben, wie ist er so weit!» 

Konzerte im Überblick

Lassen Sie sich von Franz Schuberts Liederzyklus «Die Schöne Müllerin», Joaquín Rodrigos «Concierto de Aranjuez» und Tschaikowskis Violinkonzert live in Grafenegg verzaubern! Unten finden Sie jene Konzerte, bei denen erstklassige Künstler:innen die beschriebenen Stücke im Rahmen der Sommerklänge und des Grafenegg Festival zum Besten geben werden.

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