5 Fragen an Sarah Maria Sun
Sarah Maria Sun, die im Rahmen des Grafenegg Festival gemeinsam mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung des diesjährigen Composer in Residence Enno Poppe auftreten wird, präsentiert am 28. August «La fabbrica illuminata» von Luigi Nono. Im Interview gibt die deutsche Sopranistin Einblick in ihre Arbeit als Künstlerin und ihren Bezug zu Grafenegg.
Sie haben bereits mit vielen renommierten Orchestern und Dirigenten zusammengearbeitet. Was bedeutet es für Sie, beim Grafenegg Festival mit dem Tonkünstler-Orchester und Enno Poppe aufzutreten?
Enno Poppe ist einer meiner Helden, ich verehre in seinen Kompositionen seinen Witz, seine Entscheidungen, seinen Geschmack, seine Raffinesse, sein Tempo und seine Virtuosität, seinen Farbenreichtum, sein Handwerk und so vieles mehr. Und als Dirigent liebe ich ihn, weil er mit seinem phänomenalen Hirn alles in den Stücken erfasst und dann auf seine so eigene Weise körperlich zu zeigen vermag.
Das Programm beinhaltet Werke von Haas, Nono und Poppe. Wie bereiten Sie sich auf die Interpretation anspruchsvoller zeitgenössischer Musik vor?
Ich lerne meine Noten, wie man auch eine Opernpartie oder ein Schubert-Lied lernen würde (nur dass es mehr Zeit kostet, die meist viel schwereren Partien einzustudieren). Dabei versuche ich zu erfassen, um was es im Ganzen und in allen Details geht. Und dann stelle ich meine Vorstellungskraft und meine Technik in den Dienst der Sache.
Was reizt Sie besonders an der Zusammenarbeit mit Enno Poppe, sowohl als Komponist als auch als Dirigent?
Was er zeigt, bringt immer unbedingt einen Mehrwert (auf sehr unaufdringliche Weise) - und wie er zeigt, ist niemals einstudierte Dirigier-Choreo, sondern kommt genuin aus Poppe-Kopf und -Bauch.
Das Stück «Strom» von Enno Poppe wird in Grafenegg seine österreichische Premiere haben. Sie selbst haben auch schon viele Uraufführungen gesungen. Welche Herausforderungen und Freuden birgt eine Uraufführung für Sie?
Manchmal liege ich mit meiner Idee total daneben, aber den Zahn können mir Enno Poppe oder G.F. Haas ja dann noch rechtzeitig ziehen. Herr Schubert (oder Herr Nono) können sich gegen Auffassungen, die ihnen gegen den Strich gehen, nicht mehr wehren. Mit dem kann ich machen was ich will, es ist also manchmal auch leichter, sich mit toten Komponisten herumzuschlagen. Aber auch langweiliger. Man kocht nur im eigenen Brei und hat keine fruchtbaren Streitereien.
Welche Rolle spielt die Interaktion mit dem Publikum bei Live-Auftritten für Sie, insbesondere bei einem Festival wie Grafenegg, das für seine einzigartige Atmosphäre bekannt ist?
Für das Publikum will ich unbedingt mein Allerbestes geben. Man konzentriert sich gemeinsam mit den Menschen, die zuhören und -schauen, und dabei ist der Fokus größer als die Summe seiner Teile. Außerdem ist es jedes Mal ein phänomenales Ereignis, wenn hunderte Menschen gemeinsam für einen Moment in einer Art Kommunikation zu stehen.
Orchester und Sänger haben untereinander ein Gespräch, dem hunderte Menschen konzentriert lauschen und seinem Inhalt folgen. Sie finden dieses Gespräch doof oder wunderbar, aber immerhin hören sie (meistens) erst einmal ruhig zu und fühlen und denken sich ihren Teil. Vielleicht erleben sie dabei eine Epiphanias, eine Katharsis. Oder haben einfach nur kurz eine gute Zeit. Oder sie machen ein kleines Schläfchen. Der Theaterschlaf ist der Beste, sagt mein Mann immer.