Podcast

150 Years Arnold Schoenberg

Über große Komponisten, besondere Werke & ungewöhnliche Einstiegsdrogen

Eine Ikone der musikalischen Moderne feiert Geburtstag

Im Jahr 2024 feiern Musikliebhaber:innen auf der ganzen Welt den 150. Geburtstag des revolutionären Komponisten und Innovator Arnold Schönberg.

In unserem Podcast dreht sich alles um das Jubiläumsjahr von Arnold Schönberg. In zwei Episoden plaudern Rudolf Buchbinder, künstlerischer Leiter Grafeneggs, Dr. Ulrike Anton, Direktorin des Arnold Schönberg Centers in Wien, und Markus Hennerfeind, Dramaturg von Grafenegg, über Schönbergs Vermächtnis und die zahlreichen Konzerte und Veranstaltungen bei uns in Grafenegg, die seine Werke ehren.

150 Jahre Arnold Schönberg

Folge 1
«Er sagt ja einmal: ‹Es hat nichts aufs Papier gefunden, was nicht jede Faser meines Körpers durchlaufen hat.› Für Schönberg war es wichtig, dass seine Emotionen im Vordergrund stehen.»
Dr. Ulrike Anton, Direktorin Arnold Schönberg Center Wien

Grafenegg Academy Orchestra

21/07/2024

Am 21. Juli 2024 beschließt das Grafenegg Academy Orchestra seine Probenphase mit einem spannenden Konzertprogramm, das Epochen und Stile verbindet: Johann Sebastian Bachs Ricercar aus dem «Musikalischen Opfer» in einer Bearbeitung für Orchester von Anton Webern und Johannes Brahms Variationen über ein Thema des von ihm verehrten Joseph Haydn steht Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 gegenüber. Colin Currie wird als Solist in Andrew Normans «Switch» zu erleben sein.

Als Wien noch Skandale hatte

von Christian Heindl

Große musikhistorische Revolutionen waren in Österreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerade kein allzu aktuelles Thema, und eine Symphonie in der Grundtonart E-Dur sollte eigentlich auch nicht allzu viel Kopfweh verursachen. Freilich war dann das Entsetzen bei manchen Zuhörer:innen umso größer, als am 8. Februar 1907 im Großen Saal des Wiener Musikvereins durch das Rosé-Quartett und Mitglieder des Hofopernorchesters zum ersten Mal die Kammersymphonie Nr. 1 E-Dur op. 9 von Arnold Schönberg vorgestellt wurde. Während einige erkannten, dass hier ein Komponist, von dem man kompromisslose Überraschungen erwarten konnte, ein deutliches Signal in Richtung einer Öffnung als veraltet angesehener musikalischer Parameter hin zu einer Grenzen auslotenden und jedenfalls als für damals zeitgemäß anzusehenden Tonsprache ablieferte, verstiegen sich manche — allen voran einige der musikalisch versierten Kritiker  — zu abwertenden und teils in persönliche Diffamierung gehende Pamphlete. 

Rund 120 Jahre später hat die Symphonie nichts von ihrer Modernität eingebüßt und, ja, sie stellt ungebrochen ihren Anspruch an die Konzentration und Offenheit ihres Publikums. Es ist Musik, auf die man sich einlassen muss, auf die man geradezu neugierig sein muss — und damit hat ihr Komponist eigentlich nicht mehr und nicht weniger in den Raum gestellt, als für jedes Kunstwerk und somit jedes Musikstück, sei es alt oder neu, gelten sollte. War Schönberg in der Phase der Entstehung nebenbei auch noch mit der Fertigstellung seiner zwar vom Umfang her, nicht aber von der musikalischen Sprache alle Grenzen sprengenden «Gurre-Lieder» befasst, so gingen seine Gedanken bereits intensiv dahin, wieweit man die gewohnte Dur-MollTonalität und Chromatik überschreitend, in atonale (und später die Organisierung in zwölf gleichberechtigte Töne) vordringen könne.

Arnold Schönberg in einem Photomaton, Berlin, 1930
Arnold Schönberg in einem Photomaton, Berlin, 1930 © Arnold Schönberg Center, Wien
«Ich weiß nicht, ob ein anderer Komponist vor mir Akkorde in diesem Sinn angewendet hat, in diesem harmonischen Sinn. Im harmonischen Sinn ist nämlich die Verwendung als impressionistische Ausdrucksmöglichkeit mitinbegriffen»
Schönberg in seiner «Harmonielehre»

Bevor er soweit ging, fasste er in der Kammersymphonie noch einmal Bekanntes zusammen und erweiterte es in ungewohnten Bereichen. Insbesondere arbeitete er dabei mit den Aspekten der Harmonik, vor allem, indem er in — für viele verstörend — konsequenter Weise das dissonant wirkende Intervall der Quarte geradezu ins Zentrum stellte, was durch das nach langsamer viertaktiger Einleitung und einer Generalpause erklingende rasch aufsteigende und seither in der Literatur oft angesprochene Quartenmotiv unmissverständlich betont wird. Quartenharmonik und Quartenfolgen prägen in der Folge das gesamte Werk und reiben sich naturgemäß mit der vorgezeichneten Grundtonart: «Ich weiß nicht, ob ein anderer Komponist vor mir Akkorde in diesem Sinn angewendet hat, in diesem harmonischen Sinn. Im harmonischen Sinn ist nämlich die Verwendung als impressionistische Ausdrucksmöglichkeit mitinbegriffen», wird Schönberg wenige Jahre später in seiner «Harmonielehre» dazu festhalten. Geht er also diesbezüglich bereits neue Wege, so findet er auch formal zu einer ebenso ungewöhnlichen Lösung, indem er die Symphonie als bewusst gewählte Verknappung nach den symphonischen Kathedralen Bruckners und Mahlers in nur einem, rund zwanzigminütigen Satz ablaufen lässt. Die fünf ohne Pause ineinander übergehenden Abschnitte (Exposition  — Scherzo  — Durchführung — Adagio — Reprise) spiegeln gleichsam die Sätze einer mehrsätzigen Symphonie, lassen aber ebenso das Muster der Teile eines einzelnen klassischen Sonatensatzes erkennen.

Schönberg ließ der Urfassung der Kammersymphonie für 15 Instrumente 1914/1922 eine erste Bearbeitung für Orchester folgen. 1935 entstand dann — zur weiteren Verbreitung im internationalen Konzertbetrieb — die auch im heutigen Konzert gespielte Fassung op. 9b für großes Orchester.

© Sebastian Philipp

Was verbindet Schönberg, Gershwin & Buchbinder miteinander?

In den 30er Jahren war Schönberg mit Gershwin in Amerika eng befreundet, Gershwin malte sogar ein Portrait vom Freund und Tennispartner. Anlässlich des Todes von Gershwin 1937 hält Schönberg die Grabrede und reiht ihn unter die «Größten» ein – ein Attribut, das er nur wenigen zuteil werden ließ. Im Gedenkbuch an ihn lobt er ihn ausdrücklich auch als Innovator, und Schönberg offenbart darin sein tiefes Verständnis eines guten Komponisten: «ein Mensch, der in Musik lebt und alles damit ausdrücken kann, ob seriös oder nicht. Ein Künstler ist für mich wie ein Apfelbaum: Wenn seine Zeit kommt, ob er will oder nicht, springen seine Blüten auf und er produziert Äpfel. Wie auch ein Baum nichts weiß oder fragt über den Wert, den Marktexperten ihm zuteilen, so fragt auch ein echter Komponist nicht, ob seine Produkte den Experten der seriösen Künste gefallen. Er fühlt nur, dass er etwas zu sagen hat; (und sagt es.)»

George Gershwin malt Arnold Schönberg, Foto: Jablonski Edward
George Gershwin malt Arnold Schönberg, Foto: Jablonski Edward © Arnold Schönberg Center, Wien

150 Jahre Arnold Schönberg

Folge 2
«ein Mensch, der in Musik lebt und alles damit ausdrücken kann, ob seriös oder nicht. Ein Künstler ist für mich wie ein Apfelbaum: Wenn seine Zeit kommt, ob er will oder nicht, springen seine Blüten auf und er produziert Äpfel. Wie auch ein Baum nichts weiß oder fragt über den Wert, den Marktexperten ihm zuteilen, so fragt auch ein echter Komponist nicht, ob seine Produkte den Experten der seriösen Künste gefallen. Er fühlt nur, dass er etwas zu sagen hat; (und sagt es.)»
Schönberg zu seinem Verständnis eines guten Komponisten

Festival-Eröffnung

16/08/2024

Das 18. Grafenegg Festival findet von 16. August bis 8. September 2024 statt. Unter der künstlerischen Leitung von Rudolf Buchbinder gastieren renommierte Spitzenorchester und internationale Künstler:innen in Grafenegg.
Composer in Residence 2024 ist der deutsche Komponist und Dirigent Enno Poppe. 

Eröffnet wird das Grafenegg Festival am Freitag, 16. August 2024, vom Tonkünstler-Orchester Niederösterreich. Am Pult steht Yutaka Sado, der zum letzten Mal als Chefdirigent des Residenzorchesters am Festival mitwirkt. Das Konzert feiert mit Arnold Schönbergs spätromantischer symphonischer Dichtung «Pelleas und Melisande» den 150. Geburtstag jenes Komponisten, dessen Werk auch am letzten Festival-Wochenende nochmals eine Bühne bekommt. Weiter steht mit George Gershwin das Werk eines engen Freundes Schönbergs auf dem Programm: Rudolf Buchbinder spielt Gershwins Concerto in F. 

Arnold Schönberg: Pelleas und Melisande op. 5
Arnold Schönberg: Pelleas und Melisande op. 5 © Arnold Schönberg Center, Wien

Tonkünstler-Orchester & Enno Poppe

28/08/2024

Am 28. August steht zeitgenössische Musik im Mittelpunkt: Enno Poppe, Composer in Residence 2024, dirigiert das Tonkünstler-Orchester in der österreichischen Erstaufführung seines Werkes «Strom», ein Auftragswerk von Grafenegg Festival und ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln. Weiters steht mit Georg Friedrich Haas’ «Natures mortes» das Werk eines ehemaligen Composer in Residence auf dem Programm. 

Ein weiterer Jubilar steht an diesem Tag auch am Programm: Luigi Nono. Der italienische Komponist Luigi Nono (1924–1990) war einer der einflussreichsten Vertreter der Nachkriegsavantgarde. In diesem Jahr hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert. Für sein Stück «La fabbrica illuminata» dokumentierte Nono die Arbeit in einer Stahlfabrik, nahm den Lärm der Maschinen auf und gestaltete daraus eine Tonbandcollage mit einem Solo für Sopran. Entwickelt hat er das Stück in tagelangen Studiosesseion mit Carla Henius.

Sächsische Staatskapelle Dresden

07/09/2024

Geheimnisvoller Naturlaut und Volksliedmelodik; übersteigerte Tanzszenen, flankiert von zarter Wehmut; die groteske Szenerie eines Leichenzuges, bei dem die Tiere des Waldes den Jäger zu Grabe tragen – und ein Finale, in dem sich Höllenschlünde aufreißen, bis zuletzt der Himmel im Triumph den Sieg davonträgt: Schon in Gustav Mahlers Symphonie Nr. 1 ist alles von dem vorhanden, was diesen Komponisten so außergewöhnlich macht. Und von Mahlers Bewunderer Arnold Schönberg gibt es vermutlich kein populäreres, innigeres Werk als seine «Verklärte Nacht»: Wortlos, aber musikalisch höchst beredt, folgt es einem Gedicht Richard Dehmels, das von Liebe und Verzeihen handelt. Schwelgerische Klänge und eine an Brahms geschulte Variationstechnik vereinen sich zu betörender Natur- und Seelenschilderung.

Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4
Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4 © Arnold Schönberg Center, Wien
Richard Dehmel

Verklärte Nacht

Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain,
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen,
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
in das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:

Ich trag ein Kind, und nit von Dir
ich geh in Sünde neben Dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen.
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück
und hatte doch ein schwer Verlangen
nach Lebensinhalt, nach Mutterglück

und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
von einem fremden Mann umfangen,
und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt:
nun bin ich Dir, o Dir begegnet.

Sie geht mit ungelenkem Schritt.
Sie schaut empor; der Mond läuft mit.
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:

Das Kind, das Du empfangen hast,
sei Deiner Seele keine Last,
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um alles her,
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von Dir in mich, von mir in Dich.
Die wird das fremde Kind verklären,
Du wirst es mir, von mir gebären;
Du hast den Glanz in mich gebracht,
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.

Er fasst sie um die starken Hüften.
Ihr Atem küsst sich in den Lüften.
Zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.

«Musik spricht die unbewußte Natur dieser und anderer Welten aus.»
Arnold Schönberg

Arnold Schönberg Center Wien

Schönberg 150

Das Arnold Schönberg Center verwaltet den Nachlass des Begründers der Zwölftonmusik. Das frei zugängliche Archiv umfasst 20.000 Musik- und Textmanuskriptseiten sowie Tagebücher, Konzertprogramme, Instrumente und vieles mehr. Unter den 3.500 Fotografien: Man Rays Schönberg-Portrait, Aufnahmen mit Alban Berg, Anton Webern, Albert Einstein und Charlie Chaplin. In diesem lebendigen Vermittlungs- und Kulturzentrum können Musikfreund:innen Schönberg, seine Ideen und sein Schaffen kennenlernen. Spezielle Schönbergianer:innen finden eine einzigartige Fülle an Musikmanuskripten, Schriften, Korrespondenz und wissenschaftlichen Materialien.

Zum Jubiläumsjahr wurde eine eigene Website gelauncht, unter anderem mit einem umfangreichen Eventkalender, in dem Sie sehen können, wo auf der Welt die Musik Schönbergs erklingt! 

Grafenegg feiert mit einer Vielzahl von Veranstaltungen Arnold Schönberg - feiern Sie mit!

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