Art in the grounds
Eine unerreichbare Telefonzelle auf einer Lichtung, Kleiderständer, die zwischen Bäumen aus dem Boden wachsen und ein Memento Mori mit Reh in einer Buchsbaumhecke – ein Spaziergang durch den Schlosspark in Grafenegg irritiert durch künstlerische Interventionen. Die Kunst im Park als Vexierspiel zwischen Natürlichkeit und menschlicher Inszenierung. Staunen, zweifeln, ahnen. Nichts ist, wie es scheint, und doch scheint alles an seinem Platz. Zwischen Baumriesen, märchenhaften Pfaden, vor einem Teich und auf weiten Wiesen, versteckt oder bewusst provozierend: Überall lauert die Lust an der Befragung der eigenen Wahrnehmung. Die Kunst verwandelt den Park zu einer Galerie mit natürlich-künstlichen Überraschungen.
Die Sammlung an Kunstinstallationen wird regelmäßig erweitert oder verändert.
Eine Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich.
Art objects
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Was it the corset, the arsenic, or mannerism - as then? Or was it the hangover, the confusion or stress - as now? Why did I really faint last time?
Historically speaking ‘fainting’ used to be strongly associated with Hysteria as widely discussed in the medical literature of the Victorian era. In 1859, time physicians claimed that a quarter of all women suffered from hysteria. They defined possible symptoms, which included faintness, nervousness, insomnia, fluid retention, heaviness in the abdomen, muscle spasms, shortness of breath, irritability, loss of appetite for food or sex, and “a tendency to cause trouble”.
According to that storyline, the ‘fainting sofa’ became an iconic image related to hysteria. As a once-fetishized object its form exposes the collective fantasy or ‘wish-image’ that had once made it a valued object of social desire.
Interestingly, a similar type of sofas was used long before by ancient Greeks as a place to lay down and discuss Philosophy. The historic use of the sofa as a locus for intimate conversations perhaps still makes this bygone or “discarded” object a representation related to psychotherapy (Freud), or more generally, self-understanding, self-knowledge, self-reflection, self-awareness, and interiority as it shaped itself throughout progressive history.
Today, in high speed and non-stop twenty-first-century capitalism, according to our physicians, sudden reasons for fainting would be described as a result of daily stress. Ironically enough, the apparent symptoms of hysteria described above match those of stress or burnout as increasingly manifested today.
From this outset, the fainting sofa sculpture made for Grafenegg Park intends to produce a contemporary dialectical reading linked precisely to the juncture in which the object did exist as ‚has-been’; reveals its emerging potential of ‘not yet; and its chance to be ‘born again’ (Walter Benjamin), as the perception of it, changes through new contemporary spatial information adheres to it.
It is presumed that an object like the ‚fainting sofa’, generating conflicting discourses and associations, can produce spaces for contradiction and negotiations between different specificities, that especially in public space, could lead to unrehearsed encounters.
As the title of the work „Manufactured for the purpose of fainting (after screaming)“ supposedly indicates, one is freely invited to faint outside in the park after a loud scream of releasing stress!
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«Tür u. Tor» heißt das Betonobjekt, das Manfred Pernice in die Öffnung des sogenannten «Schwarzen Tores» in der Schlossmauer eingepasst hat. Zu beiden Seiten befindet sich jeweils eine Sitzbank. Eine Treppe führt zu einer Tür, die den Durchgang von der Straße in den Park und wieder zurück ermöglicht.
Dazu der Künstler: «Die Arbeit blockiert den Durchgang und ist aber auch Durchgang und Durchlass. Der Ort selber ist als Übergang gebaut, als durchlässige Mauer und Grenze. Zuständigkeit, Privatbesitz, geschlossene Gesellschaft sind Verwandte historischer Gerichtsbarkeit.»
Durch das «Schwarze Tor» wurden in der Zeit, als Grafenegg noch die Gerichtshoheit hatte, bis Mitte des 19. Jahrhunderts die zum Tode Verurteilten zur Hinrichtungsstätte geführt. Diese befand sich auf dem Acker außerhalb der Schlossmauern an einer Stelle, wo die Gemeinden Grafenegg und Grafenwörth aneinander grenzen. Vom Tor aus kann man diesen ehemaligen Hinrichtungsort sehen. Er liegt in der Achse einer Baumreihe, die im Park zum Tor führt. Heute steht an diesem Grenzpunkt ein Denkmal mit einem einen Stier bezwingenden Herkules.
Manfred Pernices Objekte nehmen mit Witz und Feinsinn die Komplexität des Alltags als Gegenmodell zu diesem auf, mal ganz klein, mal raumfüllend. Sie bestehen vorwiegend aus Materialien wie Pappe und Holz, im öffentlichen Raum auch aus Beton. Oft erinnern sie an Architekturmodelle oder Gebrauchsobjekte. Zum Teil sind sie auch nutzbar zum Beispiel als Ausblickstürme oder Plattformen in Ausstellungssituationen. Dann wieder trügt der Schein einer nur vermeintlichen Nutzbarkeit.
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Eine gelbe Telefonzelle auf einer weißen Pyramide in einem Schlosspark: Little Warsaws Projekte bauen häufig auf einem Moment der Dislokation, der Verschiebung, der Kontextveränderung auf, viele Projekte bringen ideologisch aufgeladene Objekte in andere Zusammenhänge.
So transportierten die Künstler z. B. 2004 die Bronzestatue eines Bauern aus einem kleinen ungarischen Dorf nach Amsterdam. Einige Jahre zuvor wurde ein Gebäudeportal aus den 1920er-Jahren samt liegendem Soldaten in weichem Silikon abgegossen.
Für den Schlosspark von Grafenegg wurde eine Skulptur realisiert, die den Begriff des Parks kritisch untersucht: als gestaltete Landschaft, als Raum des Außergewöhnlichen, der Entdeckungen und Überraschungen, der inszenierten Blicke – gleichzeitig Themenpark und Museum. Die Telefonzelle stammt aus Westberlin, und der Titel der Arbeit, «Balance Capsule», gibt einen Hinweis auf die komplexen Zusammenhänge von internationaler Diplomatie, Modernismus, Raumfahrt und Telekommunikation. Die gelbe Zelle mit den abgerundeten Kanten, ein Modell aus den Siebzigerjahren und den österreichischen Telefonzellen jener Zeit sehr ähnlich, ist ein vertrautes Element des modernen öffentlichen Raumes, doch auf der hohen weißen Pyramide unerreichbar. Ein Grabmal oder Monument, ägyptische Kultur, durch westliche Kunst- und Kulturgeschichte gefiltert: Hier kommen Minimal Art, Romantizismus, Musealisierung, politische Skulptur, Messebau und Appropriation zusammen und sorgen für produktive Missverständnisse.
Über die Künstler
Andras Galik und Balint Havas leben und arbeiten in Budapest. Nach ihrem Studium der bildenden Kunst erfolgte die Gründung der Gruppe Little Warsaw, mit der unterschiedlichste gemeinschaftliche Projekte umgesetzt werden. Ausstellungen und Beiträge u. a. bei der Berlin Biennale 2001, Venedig Biennale 2003, im Stedelijk Museum Amsterdam und bei der Manifesta7.
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Die walisische Künstlerin Bethan Huws hat in einem Waldstück in der Nähe der Lindenallee drei Kleiderständer aufgestellt. In Wien sind die Thonetständer aus den Kaffeehäusern nicht wegzudenken.
Die Künstlerin, die eine Textarbeiterin mit walisisch-englisch-französischem Hintergrund ist, referiert im Titel «Perroquets» allerdings auf französische Bistros und damit auf ihren heimlichen Helden und künstlerisches Vorbild Marcel Duchamp, dem Mitbegründer der Konzeptkunst und Wegbegleiter des Dadaismus und Surrealismus. Surrealistisch muten die Porte-manteaux durchaus an, die Bethan Huws unter die Bäume und Sträucher mischt. Mit ihren ausladenden, geschwungenen Gewandhaken erinnern sie an Baumkronen. Die Vorbilder aus dem Kunstgewerbe- und Designbereich ließ Huws in Bronze gießen und wie die Modelle mit einer Patina aus verschiedenen Holztönen überziehen.
Bethan Huws bezieht sich auf Marcel Duchamps Readymades, die 1913 die Kunstwelt revolutionierten: vom Künstler ohne jedes ästhetische Vorurteil ausgesuchte Alltagsobjekte, wie etwa der berühmte Flaschentrockner, ein massenhaft industriell erzeugter Gebrauchsgegenstand, ein wertloses Objekt, das erst durch die künstlerische Geste Bedeutung erhält. Huws stellt mit den Grafenegger Kleiderständern grundsätzliche Fragen über Inhalt und Bedeutung von Kunst. Sie bringt subtilen Witz in den heroischen Landschaftsgarten und inszeniert das Blickregime der Spaziergänger und Touristen mit Metaphern der Geselligkeit und der sozialen Funktionen mit Instanzen des Sichtbaren, die den passiv gewordenen Blick des Betrachters subversiv unterbrechen.
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Im frühklassizistisch-romantischen Schlosspark von Grafenegg steht die inszenierte Landschaft, die inszenierte Natur im Mittelpunkt. Für den international renommierten amerikanischen Konzeptkünstler Mark Dion ist Natur eine kulturelle Konstruktion, die Projektionsfläche menschlicher Vorstellungen. Sein «Buchsdom Tower» demonstriert die Gleichrangigkeit von Natur und Kultur, von Naturexponat und Kunstwerk. Dion setzt dafür die hochartifizielle Sprache der «garden follies» ein, die mit Architekturen wie antikisierenden Tempeln, künstlichen Ruinen, Grotten, Einsiedeleien und orientalisierenden Gebäuden dem Szenario des romantischen Landschaftsgartens ihre eigentliche Bedeutung gaben.
In die Mitte eines eindrucksvollen historischen Buchsbaums baut Mark Dion eine Turmruine, die über den Baum hinausragt und als Blickpunkt funktioniert. Das Faible der Romantik für Ruinen verbindet sich mit Dions geradezu wissenschaftlichem Interesse an natürlichen Vorgängen und seiner Begeisterung für die Ordnungssysteme des Museums. In der Mitte der Buchsbaumhecke befindet sich ein Diorama, das, von natürlichem Licht beleuchtet, durch eine dicke Glasscheibe im Turm zu betrachten ist. Es zeigt die ökologischen Prozesse des natürlichen Verfalls und Verrottens als groteskes kunstvolles Schaubild. Dion arrangiert ein verwesendes Reh auf dem Waldboden, umgibt es mit Blättern, Pilzen und Insekten, mit einer Krähe, Mäusen und Würmern. Eine grausame Vanitas-Darstellung, großartig und makaber, aber gleichzeitig ein geistreiches, hoffnungsvolles Statement zum Kreislauf der Natur.
Über den Künstler
1961 in New Bedford/Massachusetts geboren, lebt Mark Dion in New York und Beach Lake/Pennsylvania. Seine Installationen, Objekte, Zeichnungen und Materialbilder wurden u. a. bei den Skulptur Projekten Münster 1997, in der Tate Britain, im New Yorker Museum of Modern Art und auf der Biennale São Paulo 2004 gezeigt.
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Werner Feiersinger ist ein Bildhauer, der die Formensprache der Minimal Art mit dem Wissen über Design- und Architekturgeschichte verbindet – unerlässliche Zutaten für seine devianten Objekte. Was einem klassischen Kanon unterworfen zu sein scheint, irritiert bei näherer Betrachtung, was feste Werte suggeriert, entgleist ins Paradoxe.
Das Werk im Grafenegger Schlosspark ist raffiniert konstruiert und vielfältig kontextualisiert: In einer eleganten S-Kurve schwingt das Objekt durch ein lockeres Ensemble von Sequoias. Man könnte an einen Zaun oder an ein Geländer denken. 30 schräg im Boden versenkte Vertikalen werden durch zwei parallel laufende Horizontalen aus weiß lackiertem Edelstahl verbunden. Feiersinger verdichtet die geschwungenen Spazierwege und ihr Verhältnis zu den schräg stehenden kegelförmigen Baumgruppen zu einer abstrakten Konstruktion. Sie ist leicht und durchsichtig, deutet ein Innen und ein Außen an, bleibt fragmentarisch und offen. Als historische Referenz ist ein Ausstellungsdisplay von Lilly Reich zu nennen, das sie 1927 mit ihrem Partner Ludwig Mies van der Rohe in Paris ausgeführt hat. Dieses Präsentationssystem der internationalen Moderne hat Feiersinger beschäftigt und fasziniert. Im Raumgefüge des Schlossparks lässt er eine Bühnensituation entstehen: Ein künstlich gärtnerisch angelegtes Naturensemble trifft auf ein Kunstwerk, wie es natürlicher, beiläufiger nicht sein könnte, auf ein Objekt, das über die Ortsspezifität hinaus auch ein partizipatorisches Element beinhaltet und vielfältige Möglichkeiten der Anteilnahme bietet.
Über den Künstler
Werner Feiersinger wurde 1966 in Brixlegg, Tirol geboren, lebt und arbeitet heute in Wien. 1984–1989 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst Wien, seit 2006 ist er Gastprofessor an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Seine Skulpturen und Fotografien wurden unter anderem in der De Appel Foundation (Amsterdam), im Kunsthaus Mürz (Mürzzuschlag) und der Secession Wien gezeigt.
Art objects
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Schlossparklandschaftgestaltungselement variationstechnikgebrauchsmaterialausdrucks formenschauspielautoparkfilm
Zuerst war da die Idee, über das gesamte Areal einmal pro Stunde Filmmusik abzuspielen. Damit würde der Schlosspark zum Filmset werden – als künstlich geschaffene Natur zur Requisite für dramatische, spannende oder romantische Szenen.
Schließlich habe ich den Park tatsächlich als Hintergrundrequisite für einen Film verwendet. Er beginnt mit der nachgestellten Schlusssequenz aus einem Science-Fiction-Klassiker, in der der Darsteller in seine Heimat zurückkehrt, die sich aber als unecht, als Materialisierung seiner Vorstellungen erweist. Dieselben Einstellungen werden ohne Person wiederholt, wodurch nur der Hintergrund zu sehen ist. Der Schauspieler verschwindet ganz, und ein schwarzes Auto fährt langsam über die Parkwege – eine Szene, die auch real vorkommt. Diese wird über den gesamten Film beibehalten, dabei aber in allen Bestandteilen variiert. Einmal wird der Park zur Röhrenlandschaft, das Auto vervielfältigt sich, es wird weiß, alternierende Requisiten tauchen auf. Die diversen Darstellungsmethoden und durchwegs analogen Effekte erinnern an unterschiedlichste Filme und Stilmittel. Statt eine Geschichte zu illustrieren, ist die Illustration selbst die Erzählung, die Oberfläche und die Präsentation der Dinge und Ereignisse sind wichtiger als der Inhalt. Betten werden Strukturen, Motorteile Gebäude, Textilmuster Ebenen in Doppelbelichtungen.
Über die Künstlerin
Catrin Bolt wurde 1979 in Friesach geboren, lebt und arbeitet heute in Wien. 1997–2003 Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre Installationen, Video- und Fotoarbeiten wurden u. a. im O.K. Zentrum für Gegenwartskunst Linz, im Salzburger Kunstverein sowie im Museum Moderner Kunst Kärnten gezeigt.
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Während Marjetica Potrč den Blick auf das Schloss in ihr Werk integriert und mit der Sichtachse arbeitet, macht Elke Krystufek das Gegenteil: «The wall of silence with the door to the best kept secret» ist der poetische Titel dieser Arbeit. Ein schmaler Kiesweg führt zu einer kleinen Tür in einer 16 Meter langen, 4 Meter hohen und 30 Zentimeter dicken Stahlbetonwand, die auf beiden Seiten mit Graffiti bemalt ist. «Mrs. Dr. Freude says», steht über die ganze Wand geschrieben, «außer der Sexualitätsstörung gibt es bei manchen Männern auch die Geldstörung.»
Mit analytischem Blick fängt Krystufek auf der klaren, minimalistischen Skulptur das institutionelle Feld ein, das sie in Grafenegg, und in der Welt generell, vorfindet: Der Park ist für sie nicht nur eine Wohlfühlzone, sondern eine Zone der Bedrohung und der Gewalt – und für Frauen eine Angstzone. Die Wand wird als Störfaktor in die Parkidylle eingezogen. Das Schlossgebäude, dem sich Krystufek in den Weg stellt, ist Beweis für die Hegemonie politischer, wirtschaftlicher, religiöser, kultureller – selbstverständlich männlicher – Akteure. Sigmund Freud, der den Feministinnen ja immer schon verdächtig gewesen ist, fehlt ebenso wenig wie die Fragen, die im öffentlichen Raum so anstehen: Sozialgefälle, Machtverhältnisse und Erotikzonen.
Elke Krystufeks Raumeroberung geht über den rein technischen Blick hinaus: Ihr Raum ist immer ein kontextuell gedachter Raum, ein Raum, der ohne seinen kulturellen Hintergrund nicht existiert, ein Raum, der durch die kritische Sicht auf jene Kunst- und Alltagskultur entsteht, die durch die Geschlechterpositionen strukturell geprägt ist. Es entstehen Erfahrungsbereiche, in denen Kunst nicht isoliert, sondern als Bestandteil des Lebens wahrgenommen werden kann.
Brigitte Huck
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«Drinking Water» ist der Titel des Ensembles, das sowohl als Skulptur zu verstehen ist, als auch als Rastplatz mit Trinkwasserbrunnen nutzbar ist. Der Brunnen wird gespeist von Regenwasser, das in Erdschichten gekühlt und gereinigt wird. Die Energie für die Wasserreinigung erzeugt eine Fotovoltaikanlage, eine Referenz auf die von den Bäumen des Parks erzeugte Energie.
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Die baskische Künstlerin Maider López (geb. 1975 in San Sebastian) ist eine prominente Figur in der Gegenwartskunst Spaniens. Vom Beginn ihrer Karriere an arbeitete sie im und mit dem öffentlichen Raum. Ihre Interventionen haben häufig partizipativen Charakter und drehen sich um Transformation und Aneignung von Raum, um seine Ikonografie und seine Syntax: Da waren Bretterstege, die durch den italienischen Pavillon auf der Biennale von Venedig führten, da waren bunte Markisen, die einer Hausfassade in Madrid überraschende Akzente gaben. Lòpez brachte ganz Räume im Guggenheim Museum Bilbao durcheinander und inszenierte Verkehrsstaus auf einsamen Gebirgsstraßen.
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Unter dem Titel «Counterpoints I» wurden mehrere temporäre Installationen im Schlosspark Grafenegg realisiert. Die Künstlerinnen griffen Fragmente des Ortes, dessen Funktion oder Geschichte auf und erweiterten das historische Bezugsfeld des 300 Jahre alten englischen Gartens um globale Diskurse der Gegenwart.
Franz Kapfer / «Mein Drama findet nicht mehr statt, # akt 1–3».
Franz Kapfer inszeniert seine Installation als ein Theaterstück in drei Akten - «ein Lustspiel» sagt er. Harmlos ist es jedoch nicht. Wie in Georg Büchners «Leonce und Lena» (1836) verknüpft Kapfer Elemente der romantischen Komödie mit jener der politischen Satire. Drei große Bildtafeln sind wie Bühnenbilder für die jeweiligen Akte im Park verteilt. Grundlagen für Kapfers Motive bilden politische Karikaturen, entstanden im 19. Jahrhundert, wie das im Stil des romantischen Historismus errichtete Schloss Grafenegg selbst. Der erste Akt ist Napoleons Verbannung 1814 nach Elba gewidmet. Napoleon sitzt rittlings auf einem Esel und schaut noch einmal in Richtung Fontainebleau, während dem Tier buchstäblich die Weisheit aus dem Hintern entfährt, dass auch die größten Erfolge im menschlichen Leben irgendwann zu einem Lufthauch werden. Die geschichtlichen Ereignisse bilden in Kapfers Arbeiten nur die Kulisse für das «menschliche Drama» an sich. Napoleons Scheitern verbindet er mit der Erkenntnis von der Banalität der eigenen Existenz und der «Farce der Wiederholung». Weiter hinten im Park steht der flüchtende österreichische Staatskanzler Metternich für ein System, das unter anderem an seiner Angst vor Veränderung zerbricht. Im dritten Akt begegnen wir wieder Napoleon, der sich als größter Kunsträuber Europas mit der Quadriga vom Berliner Brandenburger Tor auf dem Rücken davon stielt, natürlich nur um sie vom feudalen Joch zu befreien.
Cornelia Offergeld
Simon Faithfull / «Earth-Spin no.1: Grafenegg, 2017»
Auf dem Breitengrad von Grafenegg rotiert die Oberfläche der Erde mit einer Geschwindigkeit von 1108 Kilometer pro Stunde durch das All. Simon Faithfull hat diese Zahl berechnet und im Schlossgraben aus der Erde ausgestochen. Ein Pfeil zeigt nach Osten. Das ist die Richtung, in die sich die Erde dreht. Bei der Ruhe, die man im Park verspüren kann, ist die Geschwindigkeit der Erdrotation kaum vorstellbar. Alles scheint in der vermeintlichen Natürlichkeit des englischen Landschaftsgartens still zu stehen. In diesem Gegensatz erschließt sich die tiefere Bedeutung der Arbeit, in der die menschliche Illusion von Stabilität und Dauerhaftigkeit entlarvt wird. Simon Faithfull versteht den Planeten Erde als skulpturales Objekt, dessen Grenzen er gemeinsam mit WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen beharrlich in unterschiedlichen Medien erforscht. Bei der Arbeit «0°00 Navigation» ging, kletterte und schwamm er Großbritannien vom Ärmelkanal bis zur Nordsee ab, ohne vom Nullmeridian, dem Bezugspunkt für alle Längengrade, abzuweichen. Komplexe philosophische Reflexionen zu den menschlichen Selbsttäuschungen bricht Faithfull auf einfache Formen herunter. Für die temporäre Intervention «Dance-Floor» installierte er einen zu einem unhörbaren Rhythmus pulsierenden Disco-Leuchtboden in einer Fußgänger-Passage. Sobald man sich dem von unten beleuchteten Tanzboden näherte, verschwand es wie eine Luftspiegelung und die Passanten begannen, an ihrem Wahrnehmungsvermögen zu zweifeln.
Cornelia Offergeld
Elisabeth Penker / «Composition with one twisted tone»
Elisabeth Penker entwickelt die Skulptur «Composition With One Twisted Tone» als Kontrapunkt zum «Wolkenturm», der als Freilichtbühne wie auch als «akustische Skulptur» in den Park eingebettet ist. Gleichzeitig unternimmt sie den Versuch, aus den Analogien zwischen perspektivischem und akustischem Raum einen utopischen Raum entstehen zu lassen. Die Skulptur besteht aus einer Reihe von Holzlamellen mit zwölf Zwischenräumen. In der Reihe wird eine einzige Grundform immer wieder um 180 Grad gespiegelt. Das Prinzip erinnert an die Zwölftontechnik in der Kompositionslehre, jedoch in deren Inversion. Während in der «Schönberg-Schule» mit zwölf ausschließlich einmal benutzten Tönen komponiert wird, kehrt die Künstlerin das Prinzip um und variiert eine einzige Grundform zwölfmal durch deren jeweilige Spiegelung zur nächsten. Die Lamellen erinnern im weitesten Sinn an Piano-Tasten, während die Schwarz-Weiß-Farbgebung bei der Skulptur umgekehrt wurde. In einigen Zwischenräumen sind Sitzflächen eingezogen. Penkers Objekte sind an den Schnittstellen zwischen Skulptur, Möbel oder Instrument gelagert. In ihren Klanginstallationen untersucht die Künstlerin mögliche Überschneidungen zwischen Sprache, Musik, seriellen Strukturen und Ordnungsprinzipien. Für die Grafenegger Arbeit hat Elisabeth Penker die Musiker Alexander und Konstantin Wladigeroff eingeladen, die Skulptur in Musik zu übersetzen und eine Partitur zu komponieren, die zur Eröffnung in der Skulptur aufgeführt wurde und während der Ausstellungszeit über einen QR-Code abgerufen werden kann.
Cornelia Offergeld
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Im Sommer 2018 fand im Schlosspark Grafenegg zum zweiten Mal COUNTERPOINTS. Kunst im Park statt. Temporäre Installationen der Künstlerinnen Edith Dekyndt und Ines Doujak bildeten Kontrapunkte zur Parkanlage mit Schloss, Auditorium und der Freilichtbühne. Die Künstlerinnen griffen Fragmente des Ortes, dessen Funktion oder Geschichte auf und erweiterten das historische Bezugsfeld des 300 Jahre alten englischen Gartens um globale Diskurse der Gegenwart. Die für den Ort konzipierte Klangskulptur Harmomnemonics der Formation Britschgi/Eberle/Reissner/Stickney wurde am 27. Mai 2018 im Schlosspark aufgeführt.
- Ines Doujak / «Landgrabbing / Landraub / Landnahme»
- Roman Britschgi, Christian Eberle, Jörg Reissner, Pamelia Stickney / «Harmomnemonics»
- Edith Dekyndt / «bully missy queeny tipsy benji teddy»