«Meet the artist» Yutaka Sado
Künstler:innenportraitVeröffentlicht: 27/03/2025
5 Fragen an Yutaka Sado
Yutaka Sado ist einer der bedeutendsten japanischen Dirigenten unserer Zeit. Als Chef des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, eines der Residenzorchester in Grafenegg, dirigierte er seit 10 Jahren unzählige Konzerte in Grafenegg. Mit der Sommernachtsgala am 19. Juni 2025 in Grafenegg wird diese Aufgabe von Fabien Gabel übernommen.
Um gemeinsam auf seine letzten - äußerst bedeutsamen - 10 Jahre zurückzublicken, haben wir Yutaka Sado zum Interview gebeten! Darin erfahren Sie, was seine Zeit in Grafenegg besonders geprägt hat und welche Bedeutung das Konzert «Mozart & Mahler» am 3. Mai für ihn hat, bei dem er das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich ein letztes Mal als Chefdirigent in Grafenegg leiten wird. Außerdem verrät er in einer selbst zusammengestellten Playlist, welche Werke ihn besonders inspirieren.
«Natürlich sind alle Konzerte in Grafenegg etwas Besonderes. [...] Mich persönlich hat sehr glücklich gemacht und bereichert, dass der Zuspruch des Grafenegger Publikums seit 2015 von Jahr zu Jahr zugenommen hat und dass ich als Japaner in einem traditionellen Orchester in Österreich als Chef anerkannt werde.»
Sie zählen zu den bedeutendsten japanischen Dirigenten unserer Zeit.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für Musik und insbesondere für das Dirigieren entdeckt?Im Alter von zehn bis 14 Jahren war ich Mitglied eines Knabenchores in Kyoto. Der damalige Dirigent war ein wunderbarer Lehrer, sowohl musikalisch als auch menschlich, und er hatte großen Einfluss auf mich. Eine andere Person, die mich beeinflusst hat, war Maestro Seiji Ozawa. Ich habe ihn 1974 zum ersten Mal live dirigieren sehen, auf seiner ersten Japantournee mit der San Francisco Symphony. Das war so cool, dass ich mich danach sehnte, Dirigent zu werden.
Sie sind mehrfacher Dirigier-Preisträger, künstlerischer Direktor und Chefdirigent mehrerer namhafter Orchester, Moderator einer TV-Sendung und vieles mehr.
Welche Errungenschaft Ihrer Karriere hat Sie besonders geprägt und warum?Die zehn Jahre mit dem Tonkünstler-Orchester sind der größte Schatz meiner Karriere. Wenn ich ein bestimmtes Ereignis auswählen sollte, dann wäre es «Suntory presents Beethoven´s 9th with a Cast of 10.000», eine Aufführung, die wir jeden Dezember in Ōsaka realisieren. Ludwig van Beethovens Neunte, gesungen von einem Chor aus 10.000 Menschen, ist immer sehr bewegend, egal wie oft ich sie erlebe. Seit 25 Jahren bin ich dabei, und insgesamt 250.000 Menschen haben die Neunte mit uns gesungen. Ist das nicht erstaunlich?
«Die zehn Jahre mit dem Tonkünstler-Orchester sind der größte Schatz meiner Karriere.»
Sie waren nun 10 Jahre Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich.
Was hat Sie in dieser Zeit besonders geprägt bzw. was nehmen Sie für Ihre weitere Karriere mit?Vom Tonkünstler-Orchester habe ich so vieles gelernt! Unter anderem war es großartig, gemeinsam ein sehr breites Repertoire zu erleben, von klassischen Komponisten wie Joseph Haydn bis hin zu zeitgenössischer Musik mit Uraufführungen. Vor allem die intensive Beschäftigung mit den Werken von Gustav Mahler und Anton Bruckner war für mich eine große Bereicherung.
Die besondere Akustik des Musikvereins Wien ermöglichte es uns, in der bestmöglichen Umgebung zu proben, und es war eine wertvolle Erfahrung für uns, genau jenen Klang für ein solches Repertoire zu erarbeiten, wie ihn nur das Tonkünstler-Orchester bieten konnte.
«Vom Tonkünstler-Orchester habe ich so vieles gelernt! Unter anderem war es großartig, gemeinsam ein sehr breites Repertoire zu erleben, von klassischen Komponisten wie Joseph Haydn bis hin zu zeitgenössischer Musik mit Uraufführungen.»
Als Residenzorchester ist das Tonkünstler-Orchester in Grafenegg «zuhause».
Was war das bisherige Highlight Ihrer zahlreichen Auftritte in Grafenegg?Natürlich sind alle Konzerte in Grafenegg etwas Besonderes. Die Galakonzerte gaben uns die Möglichkeit, mit Musiker:innen von Weltrang aufzutreten, es gab Fernseh- und Radioübertragungen, die für uns sehr anregend waren. Mich persönlich hat sehr glücklich gemacht und bereichert, dass der Zuspruch des Grafenegger Publikums seit 2015 von Jahr zu Jahr zugenommen hat und dass ich als Japaner in einem traditionellen Orchester in Österreich als Chef anerkannt werde.
Das Galakonzert zum 100. Geburtsjahr meines Mentors Leonard Bernstein werde ich nie vergessen. Auch die Aufführung des Klavierkonzerts in F von George Gershwin mit dem wunderbaren Pianisten Rudolf Buchbinder bei der Festival-Eröffnung 2024, meinem letzten Konzert am Wolkenturm, ist mir sehr in Erinnerung geblieben.
Das denkwürdigste Konzert allerdings war jenes mit dem Requiem von Giuseppe Verdi mitten in der Covid-Pandemie. Kurz vor der Aufführung gab es ein positives Testergebnis im Chor – aber wir haben es trotzdem geschafft, das Konzert mit einer eilig arrangierten Version des Requiems ohne Chor auf die Bühne zu bringen.
Am 3. Mai dirigieren Sie das Tonkünstler-Orchester ein letztes Mal als Chefdirigent in Grafenegg.
Welche Bedeutung hat dieser Auftritt für Sie und was können Sie uns bereits über das Programm von «Mozart & Mahler» verraten?Es ist mir eine große Freude, dieses Programm zum Abschluss meiner Zeit als Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters zu dirigieren. Für das Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart dürfen wir den japanischen Superstar Kyohei Sorita als Solisten begrüßen. Er war schon öfters zu Gast beim Tonkünstler-Orchester, zuletzt 2023, als er mit großem Erfolg Sergej Rachmaninows drittes Klavierkonzert spielte. Auch eine CD mit dem dritten Klavierkonzert von Sergej Prokofjew haben wir gemeinsam aufgenommen. Ich selbst bin schon dutzende Male mit Kyohei Sorita aufgetreten, wir stehen uns auch privat sehr nahe.
Gustav Mahlers fünfte Symphonie ist ein denkwürdiges Stück, mit dem Tonkünstler-Orchester sind wir damit auf Tournee durch Deutschland gegangen. Mit Mahler, insbesondere mit seiner Fünften, kann das Orchester seine Fähigkeiten perfekt entfalten; sie erfordert einen dichten und detaillierten Klang. Dieses großartige Werk bringe ich in das letzte Konzert in meinem geliebten Grafenegg mit. Der Abend wird vom enormen Können der Musikerinnen und Musiker des Tonkünstler-Orchesters geprägt sein – und von der großen Freundschaft, die sich in zehn Jahren zwischen mir und dem Tonkünstler-Orchester entwickelt hat.
«Es ist mir eine große Freude, dieses Programm zum Abschluss meiner Zeit als Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters zu dirigieren. [...] Der Abend wird vom enormen Können der Musikerinnen und Musiker des Tonkünstler-Orchesters geprägt sein – und von der großen Freundschaft, die sich in zehn Jahren zwischen mir und dem Tonkünstler-Orchester entwickelt hat.»
Mit welchen 3 Worten würden Sie Ihre Zeit als Chefdirigent der Tonkünstler mit all Ihren Auftritten in Grafenegg beschreiben?
Natur, Schönheit und Liebe.
Yutaka Sado's Selection
Sind Sie neugierig, welche Musik Yutaka Sado in seiner Freizeit gerne hört? In seiner eigens zusammengestellten Playlist stellt er seine Lieblings-Werke vor und erklärt, was diese für ihn bedeuten.
Welche Musik hat Sie alsMusiker besonders beeinflusst und begleitet?
Ludwig van Beethoven: Symphonie für Soli, Chor und Orchester Nr. 9 d-Moll op. 125, 4. Satz: Finale. Presto – Allegro assai
Ich dirigiere schon seit vielen Jahren, entdecke aber immer noch etwas Neues und habe das Gefühl, dass Musik eine Botschaft an die heutige Welt ist. Ludwig van Beethovens neunte Symphonie ist ein aufmunterndes Werk für unsere Gegenwart, das uns auffordert, eine friedliche Welt anzustreben und nicht aufzugeben, auch wenn die «Freude», die Menschen auf der ganzen Welt vereint, nicht leicht zu verwirklichen ist.
Welche Musik inspiriert Sie besonders?
Pjotr Ilijitsch Tschaikowski: Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64, 4. Satz: Finale. Andante maestoso – Allegro vivace
Dieser Satz beginnt mit einem heroischen Thema, das am Ende sehr stolz klingt. Es ist voll von den wahren Freuden der Orchestermusik.
Welche Komposition würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Keith Jarrett: «The Köln Concert»
Dieses Stück ist ein Moment, für den der Gott der Musik herabgestiegen sein muss.
Welche Musik hören Sie, um sich zu entspannen?
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 cis-Moll, 4. Satz: Adagietto
Einfach wunderschön: Nostalgie, Liebe, Verzweiflung usw. sind Gefühle, die im Inneren verborgen sind – aber die Energie ist überwältigend.
Ihr musikalisches «Guilty Pleasure»?
Miki Imai: «Pride»
Wie auch immer: Text und Melodie sind großartig!
Mozart & Mahler
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich · Kyohei Sorita · Yutaka Sado
MOZART / MAHLER