«Meet the artist» Sayaka Shoji
Künstler:innenportraitVeröffentlicht: 20/11/2024
5 Fragen an Sayaka Shoji
Sayaka Shoji ist eine japanische Violinistin, die international für ihre einzigartige künstlerische Vielseitigkeit und detaillierte Herangehensweise an ihr Repertoire bekannt ist. Wir haben die Künstlerin, die am 18. Jänner mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich bei «Brahms & Dvořák» in Grafenegg auftreten wird, zum Interview gebeten!
Sie sind in Tokio geboren, in Siena aufgewachsen, haben in Köln studiert und treten mittlerweile in zahlreichen Ländern rund um die Welt auf – inwieweit prägt Sie diese Internationalität als Violinistin?
Ich hatte das große Glück, in 3 europäischen Ländern zu leben und die 3 wichtigsten Sprachen für klassische Musik zu lernen. Ich denke, die gesprochene Sprache ist mit der musikalischen Sprache verbunden, so wie die Mentalität mit dem musikalischen Universum in einer bestimmten Weise verbunden ist. Und ich liebe die Unterschiede des kulturellen Hintergrunds dieser 3 Länder.
Als Japanerin kümmere ich mich nicht nur um die Details, sondern fühle auch eine besondere Verbindung zur Natur, zu den Ahnen und zur Spiritualität. Die Familie meiner Großmutter führt seit dem 12. Jahrhundert ein historisches buddhistisches Nonnenkloster, und einige von ihnen waren sogar Priester. Manchmal fängt diese starke Spiritualität also an, in meinem Blut zu tanzen.
1999 haben Sie mit 16 Jahren als jüngste Gewinnerin den ersten Platz der Paganini Competition belegt. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
Es hat mir so viele Türen geöffnet, angefangen beim Probespiel mit Zubin Mehta. Ich fühlte mich, als ob ich plötzlich in den Ozean springen sollte, kurz nachdem ich schwimmen gelernt hatte... Ich könnte nicht glücklicher sein, und gleichzeitig muss ich sagen, dass es für ein so junges Alter ziemlich heftig war. Ich bin bis heute sehr dankbar dafür, dass ich von Menschen umgeben bin, die mich warnten, mich nicht zu sehr auf die Karriere zu konzentrieren und mir immer genug Zeit für mich selbst zu lassen, um ein Gleichgewicht zwischen dem Studium und anderen Dingen zu schaffen, was ich auch heute noch beherzige.
Neben Ihrer üblichen Konzerttätigkeit haben Sie 2007 das visuell-musikalische Projekt «Synesthesia» ins Leben gerufen. Welche Aspekte der visuellen Kunst nehmen Sie für Ihre Arbeit als Musikerin mit?
Es ist ein Experiment aus Neugierde. Da ich oft Bilder in meinem Kopf habe, wenn ich die Musik höre oder spiele, wollte ich sehen, was passiert, wenn ich sie sichtbar mache. Es ist auch eine symbolische Arbeit, da es im Grunde wie die Arbeit eines Poeten ist. Es ist die Arbeit, etwas einzufangen, das bereits in der Luft liegt und zu versuchen, es hörbar oder sichtbar zu machen. Ich sehe mein unterbewusstes Universum durch visuelle Arbeit. Ich weiß nicht, ob das nützlich ist, aber es ist interessant für mich.
Sie haben außerdem zahlreiche Werke für die Deutsche Grammophon aufgenommen. Was gefällt Ihnen besser: Live vor Publikum aufzutreten oder Tonaufnahmen zu machen?
Bei Studioaufnahmen suchen wir nach der Perfektion, die es nicht gibt. Ich mag Live-Auftritte, denn mein Ziel ist es, die Musik in vollem Umfang als einmaliges Ereignis im Leben zu erleben. Selbst bei Repertoire, das ich schon viele Male gespielt habe, gibt es nie zwei gleiche Aufführungen. Und manchmal kann auf der Bühne etwas Magisches passieren, was im Studio kaum möglich ist. Ich finde das sehr wertvoll.
Was können Sie uns bereits jetzt über Ihren Auftritt in Grafenegg verraten?
Ich kenne Gabriel Bebeșelea nun seit fast einem Jahrzehnt und es ist immer wieder spannend, mit ihm zu arbeiten und sich auszutauschen. Er hat auch ein profundes Wissen über Geschichte und innovative Ideen. Das Tonkünstler-Orchester ist absolut wunderbar, deshalb freue ich mich auf dieses Konzert in Grafenegg.
Sayaka Shoji's Selection
Hier sind einige meiner Favoriten, darunter auch solche, die Johannes Brahms / Clara Schumann nahe standen. Sergiu Celibidaches Aufnahmen habe ich in meiner Kindheit am häufigsten gehört.