Interview mit Fabián Panisello
Composer in Residence 2025Veröffentlicht: 04/11/2024
Fabián Panisello, Composer in Residence 2025, im Interview über sein neues Werk und dessen Uraufführung am 24. August in Grafenegg.
Wie würden Sie Ihre Musik einer Person beschreiben, die sie noch nie gehört hat?
Ich glaube, dass Musik auf verschiedenen Ebenen gehört wird. Bei der Analyse einer Vielzahl unterschiedlicher Musik habe ich festgestellt, dass es immer mehrere Schichten in den Werken gibt, die mir bereits beim ersten Hören gefallen haben. Ich versuche ebenso, in meine Musik immer eine unmittelbar zugängliche Ebene zu integrieren, aber dass es gleichzeitig ein Geflecht von Schichten gibt, die man erst bei späteren Hörerfahrungen oder Analysen entdeckt.
Ihre Musik kann man also ohne Vorkenntnisse hören und findet gleichzeitig Tiefe?
Ja, Musik, die man direkt hören kann, keine Musik nur für Fachleute der zeitgenössischen Musik. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, auf dieser sektenartigen Sichtweise der zeitgenössischen Musik zu beharren, die mit kulturellen Gegebenheiten des letzten Jahrhunderts zu tun hat.
Fühlen Sie sich einer argentinischen oder lateinamerikanischen Tradition zugehörig?
Argentinien ist ein Land von Einwander:innen aus verschiedenen Ländern und hat vielleicht deshalb eine kosmopolitische Betrachtung der Welt. Das hat mich bereits als sehr junger Mensch stark beeinflusst und meine Neugier für eine Vielzahl von Themen und Ästhetiken geweckt, in der Musik, im Film und in der Literatur. Daraus entstand ein starker Antrieb, eigenständig zu denken und etwa die Anlehnung an bestehende ästhetische Schulen nicht als kategorischen Imperativ zu sehen.
In der zeitgenössischen Musik sehe ich zwei mehr oder weniger sichtbare Tendenzen: auf der einen Seite Schulen oder ästhetische Trends, denen viele junge Komponist:innen folgen, vielleicht weil sie ihnen leichter identifizierbare Bezugspunkte bieten, und auf der anderen Seite unabhängige Komponist:innen wie etwa Luciano Berio, György Ligeti, Péter Eötvös und Gustav Mahler: Obwohl sie einer bestimmten historischen Strömung angehörten, gingen sie ihren Weg sehr unabhängig von Moden oder Vorgaben. Mit ihnen identifiziere ich mich.
Der Workshop Ink Still Wet vereint genau die drei Disziplinen, in denen Sie tätig sind: Komposition, Dirigieren und Pädagogik. Wie hat sich Ihre Arbeit als Dirigent auf den kompositorischen Prozess ausgewirkt?
Sie hat mich zu einem Lehrer gemacht, der sich der Dimension der Praxis sehr bewusst ist. Manchmal sehen junge Komponist:innen die Dinge auf eine abstrakte Art und Weise, und als Dirigent habe ich viele solcher Situationen erlebt, sowohl bei eigenen als auch bei Werken anderer. In diesem Sinne finde ich meine Erfahrung nützlich, denn ich kann sie an meine Studierenden weitergeben, und wir verbessern bis zuletzt, auch noch während der Proben. Oft merkt man erst bei der Uraufführung, dass etwas fehlt oder aber unnötig ist.
Manchmal hat man den Eindruck, dass in der zeitgenössischen Musik bewusst Nischen gesucht werden. Ist es sinnvoll, eine Barriere zwischen Tradition und Innovation zu errichten?
Zeitgenössische Musik als etwas Losgelöstes zu betrachten, halte ich für falsch. Was nicht bedeutet, dass sie nicht einzigartig ist, genauso wie die Musik des Barocks oder des Impressionismus. Ich glaube Nischen schränken den Fokus ein. Menschen sind an zeitgenössischer Musik interessiert, erwarten aber etwas, das sie bewegt und überrascht. Für mich gibt es also keine Barrieren zwischen Stilen und Epochen, aber sehr wohl einen spürbaren Unterschied zwischen niedriger und hoher Qualität.
Ink Still Wet
AbschlusskonzertTonkünstler-Orchester Niederösterreich · Teilnehmer:innen des Composer-Conductor-Workshops Ink Still Wet · Alexander Moore · Fabián Panisello
PANISELLO / TEILNEHMER:INNEN DES COMPOSER- CONDUCTOR-WORKSHOPS