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Daheim sein in Grafenegg

Sommernachtsgala 2024

Veröffentlicht: 10/05/2024

Heimat – ein Lebensgefühl

Wir alle haben eine. Die meisten von uns haben sogar eine sehr schöne. Viele haben eine, müssen sie aber manchmal unfreiwillig zurücklassen. Dann fehlt sie, ein wichtiges Stück von einem selbst ist dann weit weg. Die Heimat, dieses große Ganze aus vertrauten Landstrichen, den lieben und geliebten Menschen um uns herum, Sprachen, Speisen, Bräuchen … und natürlich Musik, die spontan das Gefühl von «zu Hause-Sein» vermittelt wie kaum etwas anderes. Es gibt einen Grund, warum die Austrian Airlines auch an den entferntesten Orten ihre Gäste zu den Klängen des «Donauwalzers» beim Boarding begrüßen. Die Heimat ist nicht leicht zu beschreiben, jede:r versteht darunter etwas ganz Persönliches – vielleicht ein Ort, ein Gefühl, ein Zustand oder etwas ganz anderes. Und noch weniger kann man «Heimat» in andere Sprachen übersetzen; es ist in unserer Sprache sogar ein Paradebeispiel für ein «unübersetzbares» Wort. 

Überall zu Hause – die Musik

Grafenegg ist ein ganz besonderer Ort. Mit Recht können wir stolz sein auf das grüne Paradies mit seinen Juwelen: das Schloss, der Wolkenturm, das Auditorium und die vielen großen und kleinen Plätze und Gebäude dazwischen. In Grafenegg lässt es sich leben, und mehr noch: Hier darf man sich gern zu Hause fühlen! Aber all das wäre nur halb so schön, wenn Grafenegg nicht Jahr für Jahr das große Staunen hervorzaubern würde bei allen, die zum ersten Mal hier sind. Die Besucher:innen kommen aus den Nachbarländern oder von weit weg her, aber es ist immer die Vielzahl und vor allem die Vielfalt der Gäste, die uns daran erinnert, was für eine besondere Heimat die Musik hier hat.

    Der Sommer beginnt in Grafenegg auch heuer mit der Sommernachtsgala – dem Abend, der den «Stars unter Sternen» gehört. 2024 könnte der Abend unter dem Motto «Heimat & Lebensfreude» stehen. Beides passt ausgezeichnet zu Grafenegg und zu unseren Gästen, die den Abend mit einem abwechslungsreichen Programm gestalten und auch Musik aus ihren Heimatländern mitbringen.

    Samoa – Schweiz – Litauen – Polen

    Das sind die Geburtsländer von Pene Pati (Tenor), Regula Mühlemann (Sopran), Martynas Levickis (Akkordeon) und Marta Gardolińska, die als Dirigentin am Pult des Tonkünstler-Orchesters den Abend leitet. Die vier Damen und Herren sind alle mit der Musik groß geworden, alle auf ihrem eigenen Weg und mit den Prägungen ihrer Heimatländer. 

    Pene Pati zum Beispiel, geboren in Samoa und aufgewachsen in Neuseeland, liebt besonders, «dass die Musik immer ein Erzählen von Geschichten ist. Im ganzen polynesischen Raum wird Geschichte an die nächste Generation weitergesungen. Ich glaube, deshalb fühle ich mich zur Oper so hingezogen, weil ich auf der Bühne Geschichten singe. Das ist ganz natürlich für mich».

      Die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann hat vor ein paar Jahren die CD «Lieder der Heimat» veröffentlicht; dafür wurde in Archiven gegraben und Musik von fast vergessenen Komponist:innen wieder belebt – und dass «die Schweiz vier Landessprachen hat, macht diesen Fundus noch wertvoller und spannender»

      Martynas Levickis liebt an seiner litauischen Heimat die «Sutartinės», eine unverwechselbare, gesungene Volksmusik, die schon vor langem von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe hinzugefügt wurde.

      Und die Dirigentin Marta Gardolińska wurde zwar in Polen geboren, studierte aber in Wien; sie ist dankbar, beide Kulturen genau zu kennen. In Polen gefällt ihr das «Gefühl für Melodie, wie wir Singen und die große Emotionalität, die wir beim Musizieren ausdrücken. In Österreich fasziniert mich die Tradition, nicht nur an der Musikuniversität oder im Musikverein, sondern auch die Tradition im alltäglichen Musizieren».

      Treffen am Wolkenturm

      Marta Gardolińska ist 2024 in Grafenegg keine Debütantin mehr. Sie sang bereits als Mitglied des Arnold Schoenberg-Chors bei Konzerten mit und war zwei Mal beim Familientag als Musikerin engagiert.

      «Was ich am meisten mag, ist das Gefühl, dass man hier auf Urlaub ist, obwohl man eigentlich arbeitet. Die Zeit scheint in Grafenegg langsamer zu vergehen und die Architektur ist wunderschön.»
      Marta Gardolińska, Dirigentin
      Rasenplätze am Wolkenturm
      Rasenplätze am Wolkenturm © Lisa Edi

      Auch Die Schweizerin Regula Mühlemann war bereits in Grafenegg zu Gast, allerdings zur Weihnachtszeit. Die Sängerin freut sich auf den Sommerabend … «Hoffen wir auf schönes Wetter!!». Und an die Silhouette der Schlosstürme erinnert sich Martynas Levickis besonders gerne.

      Ein Debüt gibt es bei der Sommernachtsgala 2024: Der Tenor Pene Pati ist aufgeregt, «die Klänge des Pazifiks mit dem Publikum in Grafenegg zu teilen. Und ich freue mich auf dieser berühmten Bühne zu stehen, die schon vor mir von so vielen großen Musiker:innen betreten wurde».

      Heimat

      Immer anders, immer gleich

      Für uns (Nieder)Österreicher:innen ist Heimat vielleicht eine Melange aus lieben Menschen, schönen Landschaften, Klängen und anderen Sinneswahrnehmungen. Aber wie ist das bei Musiker:innen, die viel Zeit auf Reisen verbringen und ihr Zuhause oft viele Wochen und Monate lang nicht sehen?

      «Heimat ist sicher an die Menschen gekoppelt, die man liebt. Da fühlt man sich zuhause. So kann ich mich auch weit weg von Daheim zuhause fühlen, wenn meine Lieblingsmenschen um mich rum sind. Allerdings habe ich schon angefangen, meine Heimat etwas zu romantisieren, weil ich doch sehr oft nicht da bin. Drum ist es für mich ein unglaubliches Gefühl, wenn der Zug in Luzern einfährt und ich wieder daheim bin, den Vierwaldstättersee und den Pilatus im Blick.»
      Regula Mühlemann, Sopranistin
      Portrait von Regula Mühlemann
      Regula Mühlemann © Shirley Suarez

      Geboren auf Samoa und aufgewachsen in Neuseeland, spürt Pene Pati eine sehr starke Verbindung zu beiden Ländern.

      «Meine Musikalität, meine Gefühle, meine Kunst, meine Motivation wurden geprägt von Samoa und den Menschen. Gleichzeitig bin ich sehr stolz auf Neuseeland, wo ich geformt wurde und wo ich alles erfahren und erhalten habe, was ich heute bin. Ich wurde dort nicht geboren, aber ich fühle mich als Maori, Neuseeland hat mich großgezogen.»
      Pene Pati, Tenor
      Portrait von Pene Pati
      Portrait von Pene Pati © Simon Fowler

      Marta Gardolińska spürt etwas Besonderes, wenn sie bestimmte Musik aus ihrer polnischen Heimat hört und sich an die Traditionen und Bräuche erinnert.

      «Es ist für mich sehr inspirierend und motivierend zu wissen, woher ich komme, was mich geprägt hat und was vor mir da war; welche großen Opfer gebracht wurden, damit ich in einem freien Land aufwachsen konnte, eine großartige Ausbildung genießen und in der Welt frei reisen konnte. Andererseits war ich schon einige Jahre nicht mehr in Polen zu Hause und ich bin sehr viel unterwegs – darum ist Heimat, wo mein Mann und mein Sohn gerade sind.»
      Marta Gardolińska, Dirigentin
      Portrait von Marta Gardolińska
      Portrait von Marta Gardolińska © Bartek Barczyk

      So etwas wie Heimweh verspürte Martynas Levickis früher, wenn er länger als zwei Wochen nicht zu Hause war. Heute ist sein Zuhause «fast überall, wo ich gerade bin, weil ich sehr viel reise. Ich bleibe aber nostalgisch und denke an das Blau des Himmels über Litauen, den Duft der Wälder und den weißen Sand am Baltischen Meer. Das Geheimnis ist aber: das alles wird noch viel kostbarer, wenn man weg von zu Hause ist».

      Portrait von Martynas Levickis
      Portrait von Martynas Levickis © Sebastian Madej

      Aufräumen mit den Klischees!

      Und zum Schluss werden noch ein paar gängige Missverständnisse aufgeklärt – so viel Zeit muss sein. Zum Beispiel: «Wir sind ein kleines Land, haben aber enorm viel Kraft und sind zukunftsorientiert. Wir haben laut Studien die glücklichsten Teenager der Welt, das schnellste Internet und innovative Wirtschaftszweige. Und trotzdem wissen viele nicht, dass wir unsere ganz eigene Kultur haben, die wir pflegen und hochhalten. Und unsere Sprache ist nicht Slawisch, sondern entfernt mit Sanskrit verwandt». Das alles und mehr gibt es noch über Litauen anzumerken, wie der Akkordeonvirtuose Martynas Levickis meint.

      Auch ein sehr gängiges Klischee, das Regula Mühlemann über die Schweiz aufklären möchte: «Wir sind nicht langsam! ;-) Die Berner vielleicht beim Reden ... Sonst würd’ ich mir allerdings etwas mehr Geduld, etwas mehr Gelassenheit wünschen von meinen Landsmännern und -Frauen».

      Apropos Landsfrauen: Marta Gardolińska will unbedingt aufklären, dass die berühmte Wissenschafterin Marie Curie nicht nur gebürtige Polin war, sondern es auch zeit ihres Lebens blieb. «Sie heiratete einen Franzosen und musste seinen Namen annehmen. Es macht mich zornig, wenn man sie immer nur mit ihrem Heiratsnamen benennt, besonders wo sie selbst ihren Geburtsnamen verwendete». Und noch etwas über Maria Skłodowska (aka Marie Curie): Sie ist bis heutige die einzige Person, die zwei Nobelpreise in zwei verschiedenen Disziplinen erhielt. Ihre Liebe zu Polen war so groß, dass sie das von ihr entdeckte Element «Polonium» (lat. Polonia/Polen) nach ihrer Heimat benannte. Und für Marta Gardolińska gäbe es noch viel mehr zu sagen, zum Beispiel über den polnischen Astronomen Kopernikus und die polnischen Wissenschaftler, die als erste den Enigma-Code knackten …

      Am weitesten weg von Grafenegg sind die pazifischen Inselstaaten, über die Pene Pati zu erzählen weiß: «Die größte Unbekannte über den Pazifik im Allgemeinen ist, dass Singen einfach zu unserer Seele gehört. Singen wird auch nicht gelernt oder unterrichtet, es wird einfach weitergegeben. Deshalb sind die Musik und das Singen ganz tief in den Menschen und unserer Geschichte verwurzelt. Unsere Kultur ist so unglaublich reich. Die Menschen sind freundlich, fröhlich und heißen Gäste willkommen. Und das Singen ist einfach eine Art zu leben».

      Die Sommernachtsgala

      – einmal um die ganze Welt

      Verschiedene Persönlichkeiten, verschiedene Kulturen … die besten Zutaten für ein abwechslungsreiches Programm bei der Sommernachtsgala. So überrascht es nicht, dass uns ein spannender Mix aus Opernarien- und ouvertüren von Giuseppe Verdi, Georges Bizet und Charles Gounod erwartet. Dazu kommt originale Musik aus Litauen und Neuseeland sowie Orchestermusik aus Tschechien und ein russisches Lied; der Abschluss ist aber wie immer «very British». Tradition muss sein – und Edward Elgar ist in Grafenegg so gut wie beheimatet. Das krönende Finale nach dem Ende des offiziellen Programms ist wie jedes Jahr der erste Marsch aus «Pomp and Circumstance»!

        Veröffentlicht: 10/05/2024

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