Fabián Panisello
Composer in Residence 2025
Der argentinisch-spanische Komponist und Dirigent Fabián Panisello bewegt sich mit seiner lebendigen, anschaulichen und fein differenzierten Tonsprache auf der Höhe der Zeit.
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Der argentinisch-spanische Komponist und Dirigent Fabián Panisello bewegt sich mit seiner lebendigen, anschaulichen und fein differenzierten Tonsprache auf der Höhe der Zeit. Der langjährige Direktor der Hochschule Reina Sofía in Madrid hatte seine Ausbildung als Komponist in seiner Heimatstadt Buenos Aires bei Francisco Kröpfl begonnen. 1993 schloss er als Schüler von Boguslaw Schaeffer am Mozarteum in Salzburg sein Studium mit Auszeichnung ab. Weitere Impulse erhielt er von Elliott Carter, Franco Donatoni, Brian Ferneyhough und Luis de Pablo sowie im Fach Dirigieren von Péter Eötvös und Jorma Panula.
Fabián Panisellos Kompositionen wurden und werden von namhaften Interpreten aufgeführt. So brachte das Arditti Quartet beim Takefu Festival 2006 seine Three Movements zur Uraufführung. Pierre Boulez dirigierte 2008 das SWR Sinfonieorchester mit dem Orchesterwerk Aksaks. Unter der Leitung von Péter Eötvös brachte das Orquesta Nacional de España 2009 Mandala zur Uraufführung. Im Bereich der Vokalmusik folgten auf seine Gothic Songs, 2012 an der Alten Oper Frankfurt mit dem Bariton Leigh Melrose uraufgeführt, zwei Monodramen: L’Officina della resurrezione wurde 2014 in Katowice mit Bariton Holger Falk aus der Taufe gehoben; die Uraufführung von The Raven bestritt Mezzosopranistin Annette Schönmüller mit dem PluralEnsemble 2022 im Mai in Madrid. Das Amaryllis Quartett und der Oboist Ramón Ortega Quero brachten im Oktober 2023 Seven Japanese Sketches zur Uraufführung; im Januar 2024 folgte ein neues Hornkonzert, uraufgeführt von Radovan Vlatković mit dem Radio Sinfonie Orchester Spanien unter der Leitung von Erik Nielsen.
Die Premiere seiner Kammeroper Le Malentendu nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Albert Camus wurde 2016 mit Begeisterung aufgenommen. Zu einem großen Erfolg geriet auch die Uraufführung seiner Oper Les Rois mages, die im Auftrag der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung und der Stiftung der Universidad Autónoma de Madrid entstand. Nach der Uraufführung im Januar 2019 im Auditorio Nacional de Madrid mit dem PluralEnsemble unter der Leitung des Komponisten wurde das Werk in Nizza, Tel Aviv, Wien und Klagenfurt präsentiert. Seine dritte Oper Die Judith von Shimoda, deren Libretto nach einem Text von Bertolt Brecht entstand, wurde im August 2023 bei den Bregenzer Festspielen mit großem Erfolg uraufgeführt und anschließend in Wien gezeigt. Die Oper wurde in der Kategorie beste Uraufführung für den Österreichischen Musiktheaterpreis 2024 nominiert, der im September verliehen wird.
Fabián Panisello arbeitet derzeit an Change, einem halbszenischen Stück für Bariton, Noh-Sängerin (Ryoko Aoki), Bariton, Ensemble und Elektronik, das vom Kontakte Festival für elektroakustische Musik & Klangkunst an der Akademie der Künste Berlin in Zusammenarbeit mit dem Ensemble OENM Salzburg in Auftrag gegeben wurde. Die Uraufführung in Berlin ist für Juni 2025 geplant, gefolgt von der österreichischen Erstaufführung im Oktober 2025 in Salzburg.
Fabián Panisello ist Gründer und künstlerischer Leiter des PluralEnsemble, einem der herausragenden europäischen Ensembles für Neue Musik. Sowohl mit seinem Ensemble als auch als Komponist ist er regelmäßig zu Gast bei großen Festivals für zeitgenössische Musik wie Wien Modern, Présences, Ars Musica, Ultraschall, Aspekte und Klangspuren Schwaz. Als Dirigent leitete Panisello daneben unter anderem das Ensemble Modern, Ensemble Orchestral Contemporain, Nouvel Ensemble Moderne und die Israel Contemporary Players. 2022 dirigierte er mit außerordentlichem Erfolg Luis de Pablos letzte Oper El Abrecartas am Teatro Real Madrid. Weitere Gastdirigate führten ihn in letzter Zeit zum Orquesta Sinfónica National in Buenos Aires, dem Orquesta Sinfónica de Tenerife, dem Joven Orquesta National de España (JONDE), Concerto Budapest, Orquesta Sinfónica de Galicia, Savaria Symphony Orchestra und zu Ensembles wie Paramibao in Quebec, Turning Point in Vancouver, Ensemble United Berlin, UMZE in Budapest und Riot in London.
Sein Schaffen wurde von Persönlichkeiten wie Pierre Boulez, Luciano Berio und Karlheinz Stockhausen gewürdigt und gefördert. Er gewann unter anderem den Salzburger Preis der Erben Mozarts und den Premio Iberoamericano de Composición Rodolfo Halffter. Fabián Panisello ist Mitglied der argentinischen Akademie der Künste. Als Gastdozent war und ist er regelmäßig bei Institutionen wie der Eötvös Foundation in Budapest, dem China Conservatory of Music in Peking, den Domaines Forgés in Kanada, der The Jerusalem Academy of Music and Dance oder der Royal Academy of Music in London tätig.
Aufnahmen seiner Musik sind unter anderem bei den Labels NEOS, Col Legno, Cypres, Verso und Columna Música erschienen. Verlegt werden seine Werke bei der Edition Peters.
Komponistenbaum
Eine Vielzahl an zum Teil exotischen Baumarten prägt den historischen Landschaftsgarten von Grafenegg. Seit 2007 kommt im Rahmen des Festivals alljährlich ein neuer Baum hinzu, der vom jeweiligen Composer in Residence gepflanzt wird.
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von Ewald Baringer
Der Erdbeerbaum (spanisch: Madroño, wissenschaftlicher Name: Arbutus) sei ein «sehr typischer Baum für Madrid», erläutert der gebürtige Argentinier Fabián Panisello, Grafeneggs Composer in Residence 2025, seine Wahl des Komponistenbaums, die er symbolisch sieht: als positiven Bezug zu Madrid, wo er lebt. Auch habe er dabei an das Klima in Grafenegg gedacht – ein interessanter Gedanke, denn der Madroño ist zwar winterhart, gedeiht jedoch vorwiegend in Mittelamerika (z.B. Mexiko) und im mediterranen Raum, etwa auf Sardinien und den Kanarischen Inseln - aber auch in Irland oder im Botanischen Garten von Köln.
Die Botanik kennt insgesamt elf Arten dieses Heidekrautgewächses (sic!), das mit den bekannten Erdbeerpflanzen wenig verbindet. Auch die Bezeichnungen Meerkirsche, Meerfrucht, Sandbeere oder Hagapfel finden sich im Lauf der Geschichte. Werden Erdbeeren kulturgeschichtlich oft mit Lust und Sinnlichkeit assoziiert, schmecken die Früchte des Madroño zwar eher sauer, sind jedoch reich an Vitamin C, Antioxidantien, Kohlehydraten und Ballaststoffen und werden zu Likör, Schnaps und Gelee verarbeitet, in Italien auch zu einer besonderen Spezialität, dem Miele Amaro (bitterer Honig). Erwähnung findet der Arbutus schon bei Vergil in der Äneis und bei Ovid in den Metamorphosen. Insofern ist es wenig erstaunlich, dass der Baum sowohl in der griechischen als auch in der römischen Mythologie mit den jeweiligen Liebesgöttinnen Aphrodite bzw. Venus in Verbindung gebracht wurde.
Der Hinweis Panisellos auf Madrid ist in der Tat wesentlich, zählt doch die 1967 errichtete, vier Meter hohe und 20 Tonnen schwere Bronzestatue «El Oso y el Madroño» (Der Bär und der Erdbeerbaum) des Bildhauers Antonio Navarro Santafé an der Puerta del Sol am Beginn der Calle de Alcalá zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Das Motiv geht ins Mittelalter zurück und findet sich sogar im Madrider Stadtwappen (übrigens auch im Wappen der italienischen Provinz Ancona). Die Frage, was es mit dem Bären (der Bärin?) auf sich hat, führt hier wohl zu weit. Die Interpretationen reichen von gesellschaftspolitischen bis zu astronomischen Dimensionen. Spannend ist die etymologische Herkunft des Madroño, über die mehrere Theorien bestehen. Eine bezieht sich auf das Wort «madre» und somit auf den archaischen Erdmutter-Mythos. Auch die Entstehung des Namens von Madrid (immerhin sind die ersten vier Buchstaben identisch) ist nicht eindeutig geklärt, ist aber vermutlich arabischen Ursprungs («Madschrit» bedeutet Flussbett, Bach oder Quelle).
Doch kehren wir zurück zu Panisellos Begründung, warum er diesen Baum als persönlichen Komponistenbaum auserkoren hat, nämlich als Bezug zu Madrid. Die spanische Sieben-Millionen-Metropole ist für den in Buenos Aires geborenen Komponisten und Dirigenten eine sehr kosmopolitische Stadt geworden, deren kulturelles Leben er schätzt, wie er in einem Interview schon vor längerer Zeit geäußert hat, und wo er auch als Professor für Komposition in der von der Fondacion Albeniz gegründeten Escuela Superior de Música Reina Sofía (Madrid) wirkt. Deren bezeichnendes Leitmotiv lautet «Nulla ethica sine aesthetica –Nulla aesthetica sine ethica»: keine Ethik ohne Ästhetik, keine Ästhetik ohne Ethik.
Neue Orchester und Ensembles haben sich in Madrid gebildet, neue Konzerthallen wurden gebaut, und die zeitgenössische Kunst gedeiht in einem inspirierten und inspirierenden Klima. Schon in Argentinien, so Panisello, lebten viele Völker und Religionen friedlich nebeneinander: Juden, Araber, Christen, Deutsche, Spanier, Italiener. Obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr dort lebe, habe ihn diese «hybride Kultur» sehr geprägt. Und Panisello selbst ist international unterwegs, als gefragter Lehrender, als Komponist und Dirigent. Vielleicht darf uns der Erdbeerbaum im Schlosspark mit seinen bittersüßen Früchten künftig auch daran erinnern, dass aus der Offenheit und der Neugier für die Vielfalt des Lebens ein humanes, kreatives und überraschendes Miteinander erwachsen kann.